Die Geisha - Memoirs of a Geisha
größte Mühe, ihnen beim Essen Gesellschaft zu leisten – das heißt, eine Zeitlang versuchte ich immer wieder, Nobu zum Reden zu bringen, aber der war nicht in der Stimmung dazu; dann versuchte ich es mit dem Minister, aber es wäre natürlich leichter gewesen, der gegrillten Elritze auf seinem Teller ein Wort zu entlocken. Also gab ich es schließlich auf und plauderte über alles, was mir gerade einfiel, bis ich das Gefühl hatte, eine alte Dame zu sein, die sich mit ihren beiden Hunden unterhält. Und während der ganzen Zeit schenkte ich den beiden Herren reichlich Sake ein. Nobu trank nicht viel, doch der Minister reichte mir jedesmal dankbar seine Tasse. Gerade als der Minister allmählich seinen gewohnt glasigen Blick bekam, stellte Nobu, plötzlich energisch wie ein Mann, der soeben wach geworden ist, seine Tasse auf den Tisch zurück, tupfte sich den Mund mit der Serviette ab und sagte:
»Also gut, Minister, das reicht für heute abend. Zeit für Sie, nach Hause zu gehen.«
»Aber Nobu-san!« sagte ich erstaunt. »Ich habe den Eindruck, daß Ihr Gast gerade erst anfängt, sich zu amüsieren.«
»Er hat sich lange genug amüsiert. Jetzt werden wir ihn zur Abwechslung mal zeitig nach Hause verfrachten – dem Himmel sei Dank! Nun kommen Sie schon, Minister! Ihre Frau wird sich freuen!«
»Ich bin nicht verheiratet«, sagte der Minister. Aber er zog bereits seine Socken hoch und begann sich zu erheben.
Ich begleitete Nobu und den Minister durch den Flur zum Eingang und half dem Minister in die Schuhe. Da Taxis wegen der Benzinknappheit noch selten waren, rief die Dienerin eine Rikscha, und ich half dem Minister einzusteigen. Ich hatte schon bemerkt, daß er sich ein wenig seltsam verhielt, doch an diesem Abend hielt er den Blick auf seine Knie gerichtet und wollte nicht einmal auf Wiedersehen sagen. Nobu blieb am Eingang stehen und starrte so finster in die Nacht hinaus, als beobachtete er, wie dunkle Sturmwolken aufzogen, während es doch eine sternklare Nacht war. Als der Minister abgefahren war, fragte ich ihn: »Was in aller Welt ist bloß mit euch beiden los, Nobu-san?«
Er sah mich angewidert an und kehrte ins Teehaus zurück. Ich fand ihn in unserem Zimmer, wo er mit seiner leeren Saketasse auf den Tisch klopfte. Ich dachte, er wünsche Sake, doch als ich ihn fragte, ignorierte er mich, und außerdem war das Fläschchen ohnehin leergetrunken. Ich wartete eine Weile ab, ob er mir etwas mitteilen wollte, dann sagte ich schließlich:
»Nun sehen Sie sich an, Nobu-san! Sie haben eine Falte zwischen den Augen, die so tief wie die Furche in einem Ackerweg ist.«
Er entspannte die Muskeln rings um seine Augen, so daß die Falte zu verschwinden schien. »Ich bin nicht mehr so jung wie früher, das weißt du doch«, erklärte er mir.
»Und was soll das heißen?«
»Es heißt, daß ich ein paar dauerhafte Falten bekommen habe, die nicht einfach verschwinden, nur weil du es verlangst.«
»Es gibt gute Falten und schlechte, Nobu-san. Vergessen Sie das nicht.«
»Du selbst bist auch nicht mehr so jung, wie du mal warst, weißt du.«
»Jetzt sinken Sie auch noch so tief, daß Sie mich beleidigen! Ihre Laune ist ja noch schlimmer, als ich befürchtet hatte. Warum gibt es hier keinen Alkohol? Sie brauchen was zu trinken!«
»Ich beleidige dich keineswegs. Ich stelle lediglich Tatsachen fest.«
»Es gibt gute Falten und schlechte Falten, und es gibt gute Tatsachen und schlechte Tatsachen«, sagte ich. »Die schlechten Tatsachen sollte man tunlichst vermeiden.«
Ich suchte die Dienerin und bat sie, uns ein Tablett mit Scotch und Wasser sowie ein paar getrocknete Tintenfische als Imbiß zu bringen, denn es war mir aufgefallen, daß Nobu kaum etwas gegessen hatte. Als das Tablett gebracht wurde, goß ich Scotch in ein Glas, füllte es mit Wasser auf und stellte es vor ihn hin.
»So«, sagte ich, »und jetzt tun Sie, als wäre es Medizin und trinken es schön brav leer.« Er trank einen Schluck, aber nur einen sehr kleinen. »Alles!« befahl ich.
»Ich trinke so schnell, wie ich will!«
»Wenn ein Arzt dem Patienten befiehlt, eine Medizin einzunehmen, nimmt der Patient die Medizin ein. Und nun trinken Sie aus!«
Nobu leerte das Glas, ohne mich dabei anzuschauen. An-schließend schenkte ich ihm abermals ein und befahl ihm, noch einmal auszutrinken.
»Du bist kein Arzt!« sagte er zu mir. »Ich trinke, wann und wie schnell ich will.«
»Na, na, Nobu-san! Jedesmal, wenn Sie den Mund aufmachen, machen
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