Die Geisha - Memoirs of a Geisha
verschwimmen. Doch Nobu hob das Glas, und mir blieb nichts anderes übrig, als mit ihm zu trinken. Anschließend trocknete er sich den Mund mit der Serviette und sagte: »Wir leben in einer schlimmen Zeit, Sayuri.«
»Aber Nobu-san! Ich dachte, wir trinken, um uns ein wenig aufzumuntern.«
»Wir kennen uns nun schon eine sehr lange Zeit, Sayuri. Ungefähr… fünfzehn Jahre? Ist das richtig?« fragte er. »Nein, nein, antworte nicht. Ich möchte dir etwas sagen, und du wirst still dasitzen und mich anhören. Ich habe dir dies schon längst sagen wollen, aber jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen. Ich hoffe, du hörst gut zu, denn ich werde es nur einmal sagen. Es geht um folgendes: Ich mag eigentlich keine Geishas, das wirst du vermutlich bereits wissen. Aber ich hatte immer das Gefühl, daß du, Sayuri, nicht so bist wie alle anderen.«
Ich wartete einen Augenblick, ob Nobu weitersprechen wollte, aber das tat er nicht.
»Ist es das, was Nobu-san mir sagen wollte?« erkundigte ich mich.
»Nun, legt das nicht nahe, daß ich alles mögliche für dich hätte tun sollen? Zum Beispiel – ha –, zum Beispiel hätte ich dir Schmuck schenken sollen.«
»Aber Sie haben mir doch Schmuck geschenkt! Im Grunde sind Sie immer viel zu freundlich gewesen. Zu mir, meine ich. Zu anderen sind Sie allerdings nicht sehr freundlich.«
»Nun, ich hätte dir mehr schenken sollen. Wie dem auch sei, das ist es nicht, was ich sagen wollte. Ich finde nur schwer die richtigen Worte. Was ich sagen will, ist, daß ich endlich begriffen habe, wie töricht ich bin. Du hast vorhin über die Vorstellung gelacht, den Minister zum danna zu haben. Aber nun sieh mich an: ein Einarmiger mit einer Haut wie… wie nennt man mich doch? Die Eidechse?«
»Aber Nobu-san, so etwas dürfen Sie nicht sagen…«
»Der Moment ist endlich gekommen. Ich habe seit Jahren darauf gewartet. Ich habe gewartet, während du diesen General hattest. Jedesmal, wenn ich mir vorstellte, daß du mit ihm… Nun ja, ich mag selbst jetzt nicht daran denken. Und dann die Vorstellung, dieser idiotische Minister… Habe ich dir erzählt, was er heute abend zu mir gesagt hat? Das ist das Schlimmste von allem. Nachdem er erfahren hatte, daß er nicht dein danna werden kann, saß er lange da wie ein Haufen Dreck, und dann hat er gesagt: ›Ich dachte, Sie hätten mir gesagt, ich könne Sayuris danna werden.‹ Also, das hatte ich bestimmt nicht zu ihm gesagt! ›Wir haben unser Möglichstes getan, Minister, aber es hat nicht geklappt‹, habe ich ihm erklärt. Und dann fragte er: ›Könnten Sie es denn nicht wenigstens ein einziges Mal arrangieren?‹–›Was arrangieren?‹ erkundigte ich mich. ›Daß Sie ein einziges Mal Sayuris danna sein dürfen? Einen einzigen Abend, meinen Sie?‹ Und weißt du was? Er hat genickt. ›Also‹, habe ich gesagt, ›hören Sie mir gut zu, Minister! Es war schlimm genug, der Herrin dieses Teehauses einen Mann wie Sie als danna für eine Frau wie Sayuri zu präsentieren. Das habe ich nur getan, weil ich wußte, daß es nicht dazu kommen würde. Doch wenn Sie denken…‹«
»Das haben Sie nicht gesagt!«
»Das habe ich wohl gesagt. ›Doch wenn Sie denken‹, habe ich gesagt, ›ich würde dafür sorgen, daß Sie auch nur eine Viertelsekunde mit ihr allein sind… Warum sollte ich sie Ihnen überlassen? Und außerdem habe ich nicht das Recht, über sie zu verfügen, stimmt’s? Es ist eine Zumutung, daß ich zu ihr gehen und sie um so etwas bitten soll!‹«
»Aber Nobu-san, hoffentlich hat der Minister Ihnen das nicht allzu übel genommen, nach allem, was er für Ihr Unternehmen getan hat.«
»Moment mal! Ich möchte nicht, daß du mich für undankbar hältst. Der Minister hat uns geholfen, weil es seine Aufgabe war, uns zu helfen. Ich habe ihn während der letzten Monate stets gut behandelt und werde damit jetzt nicht aufhören. Aber das muß nicht heißen, daß ich etwas aufgeben muß, worauf ich über zehn Jahre gewartet habe! Was wäre passiert, wenn ich zu dir gekommen und dich um das gebeten hätte, was er verlangte? Hättest du etwa gesagt: ›Schon gut, Nobu-san, ich werde es tun – für Sie‹?«
»O bitte… Wie kann ich eine solche Frage beantworten?«
»Sehr leicht. Sag mir nur, daß du so etwas niemals getan hättest.«
»Aber Nobu-san, ich stehe so tief in Ihrer Schuld… Wenn Sie mich um eine Gefälligkeit bäten, könnte ich Sie niemals leichtfertig zurückweisen.«
»Nun, das ist mir neu. Hast du dich
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