Die Geisha - Memoirs of a Geisha
für mich das Ende meines Lebens bedeuten. Bitte halten Sie mich zurück!«
»Betrunken und auch noch verheult! Du bist ja schlimmer als Hatsumomo! So kannst du nicht dorthin zurückkehren.«
»Dann rufen Sie bitte im Ichiriki an. Die sollen Nobu-san ausrichten, daß ich nicht kommen werde. Bitte – ja?«
»Warum sollte Nobu-san darauf warten, daß du ihm einen Steinbrocken bringst?«
»Das kann ich Ihnen nicht erklären. Ich kann nicht…«
»Ist ja auch egal. Wenn er auf dich wartet, mußt du gehen«, erklärte sie mir und führte mich in mein Zimmer zurück, wo sie mir das Gesicht mit einem Handtuch trocknete und mir beim Licht einer elektrischen Laterne das Make-up auffrischte. Dabei war ich so schlaff, daß sie mit der Hand mein Kinn anheben mußte, damit mein Kopf nicht hin und her rollte. Schließlich wurde sie so ungeduldig, daß sie mit beiden Händen meinen Kopf packte und mir klarmachte, daß ich stillhalten sollte.
»Ich hoffe nur, daß ich dich nie wieder in einem solchen Zustand sehen muß, Sayuri. Der Himmel weiß, was in dich gefahren ist!«
»Ich bin ein Dummkopf, Tantchen.«
»Heute abend bist du mit Sicherheit ein Dummkopf«, gab sie zurück. »Mutter wird sehr zornig werden, wenn du etwas getan hast, womit du dir Nobu-sans Zuneigung verscherzt.«
»Bis jetzt noch nicht«, sagte ich. »Aber wenn Ihnen irgend etwas einfällt, womit ich das…«
»So redet man nicht«, ermahnte mich Tantchen. Und sprach von da an kein einziges Wort mehr, bis sie mit meinem Make-up fertig war.
Danach kehrte ich, den schweren Betonbrocken in beiden Händen, zögernd ins Ichiriki-Teehaus zurück. Ich weiß nicht, ob der Stein so schwer war oder ob meine Arme vom vielen Alkohol zu schlaff geworden waren. Doch als ich wieder zu Nobu ins Zimmer trat, hatte ich das Gefühl, die ganze Energie verbraucht zu haben, die mir zur Verfügung stand. Falls er davon sprechen sollte, daß ich seine Geliebte werden sollte, war ich nicht sicher, ob ich meine Gefühle noch unterdrücken konnte.
Ich legte den Stein auf den Tisch. Nobu packte ihn mit den Fingern und hielt ihn in dem Handtuch, das um seine Hand gewickelt war.
»Hoffentlich habe ich dir nicht einen Edelstein in dieser Größe versprochen«, sagte er. »Soviel Geld habe ich nämlich nicht. Jetzt aber sind Dinge möglich, die zuvor nicht möglich waren.«
Ich verneigte mich und gab mir Mühe, nicht verzweifelt zu wirken. Nobu brauchte mir nicht zu erklären, was er mit seinen Worten meinte.
33. KAPITEL
Als ich in jener Nacht auf meinem Futon lag und sich das Zim mer um mich drehte, beschloß ich, mich wie der Fischer zu verhalten, der mit seinem Netz Stunde um Stunde Fische aus dem Wasser zieht. Sobald mir Gedanken an den Direktor kamen, würde ich sie herausziehen, wieder und wieder herausziehen, bis schließlich keine mehr übrig waren. Das wäre sicher ein cleveres System gewesen, wenn es mir möglich gewesen wäre, es in die Tat umzusetzen. Aber sobald mir ein Gedanke an ihn kam, entwischte er mir, bevor ich ihn einfangen konnte, und führte mich genau zu dem Ort, den ich aus meinen Gedanken verbannt hatte. Immer wieder gebot ich mir Einhalt und sagte mir: Denk nicht an den Direktor, denk lieber an Nobu! Und dann stellte ich mir ganz bewußt vor, wie ich irgendwo in Kyoto Nobu traf. Gleich darauf ging jedoch immer etwas schief. Zum Beispiel war der Ort, den ich mir vorstellte, vielleicht einer, an dem ich mich in meinen Träumen oft mit dem Direktor gesehen hatte… und schon war ich wieder mitten in den Gedanken an den Direktor.
Wochenlang versuchte ich, mich auf diese Art umzupolen. Manchmal, wenn ich eine Weile von den Gedanken an den Direktor loskam, begann ich mich zu fühlen, als hätte sich in mir ein Abgrund aufgetan. Ich hatte keinen Appetit, nicht einmal, als die kleine Etsuko eines späten Abends kam und mir eine Schale klare Brühe brachte. Die paar Male, da es mir gelang, meine Gedanken ausschließlich auf Nobu zu konzentrieren, ließen mich so erstarren, daß ich überhaupt nichts mehr zu empfinden schien. Während ich mein Make-up auflegte, schien mein Gesicht an mir zu hängen wie ein Kimono an seinem Ständer. Tantchen behauptete, ich sähe aus wie ein Gespenst. Zwar ging ich, wie gewohnt, zu Partys und Banketts, kniete dort aber schweigend am Tisch und hielt die Hände auf dem Schoß gefaltet.
Da ich wußte, daß Nobu kurz davor stand, sich mir als danna anzubieten, wartete ich tagtäglich auf die Nachricht. Aber die Wochen gingen
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