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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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früher einmal ein Sumo-Ringer gewesen, und wenn er hinausgegangen wäre und sich mit seinem ganzen Gewicht gegen das Haus geworfen hätte, wären vermutlich alle Schreibtische von der Tatami-Plattform auf den Boden gefallen. Als Sumo-Ringer war er nicht gut genug gewesen, um einen Ruhestandsnamen anzunehmen, wie es viele dieser Ringer tun, doch ließ er sich gern mit dem Namen anreden, den er in seinen Ringertagen benutzt hatte: Awajiumi, was manche Geishas zu Awaji verkürzten.
    Sobald wir das Büro betraten, schaltete Hatsumomo ihren Charme ein. Damals erlebte ich das zum erstenmal. »Awaji-san!« sagte sie. Aber so, wie sie es sagte, hätte es mich nicht überascht, wenn ihr mittendrin die Puste ausgegangen wäre, denn es hörte sich ungefähr so an: »Awaaajiii-saaaannnnnnnnnn!«
    Es klang, als machte sie ihm Vorwürfe. Als er ihre Stimme hörte, legte er den Pinsel hin, und seine beiden schweren Wangen hoben sich bis zu den Ohren: Das war seine Art zu lächeln.
    »Hmmm… Hatsumomo-san«, sagte er. »Wenn du noch hübscher wirst, weiß ich nicht mehr, was ich tun soll.«
    Wenn er sprach, klang es wie ein lautes Flüstern, denn es geschieht nicht selten, daß Sumo-Ringer sich den Kehlkopf verletzen, wenn sie sich gegenseitig an die Gurgel gehen.
    Awajiumi mochte zwar so wuchtig wie ein Nilpferd sein, aber er kleidete sich elegant. Er trug einen Nadelstreifen-Kimono und dazu eine Kimonohose. Seine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, daß all das Geld, das durch Gion floß, auch dahin floß, wohin es fließen sollte, und ein Rinnsal ergoß sich geradewegs in seine eigene Tasche. Das soll nicht heißen, daß er stahl – so funktionierte einfach das System. In Anbetracht seines wichtigen Postens tat jede Geisha wohl daran, ihn bei Laune zu halten. Deswegen wurde ihm nachgesagt, daß er recht oft Gelegenheit habe, sich seiner eleganten Kleider zu entledigen.
    Hatsumomo unterhielt sich sehr lange mit Awajiumi, bis sie ihm schließlich erläuterte, sie sei gekommen, um mich für den Unterricht in der Schule anzumelden. Bis dahin hatte Awajiumi mich noch fast gar nicht beachtet, nun aber drehte er seinen überdimensionalen Kopf und sah mich an. Nach kurzer Zeit erhob er sich, um einen der papierbespannten Wandschirme vor dem Fenster beiseite zu schieben, damit etwas mehr Licht hereinfiel.
    »Ich hatte gedacht, meine Augen hätten mich getrogen«, sagte er dann. »Du hättest mir gleich sagen sollen, was für ein hübsches Mädchen du mir da gebracht hast, Hatsumomo-san. Ihre Augen… sie sind von der Farbe eines Spiegels!«
    »Eines Spiegels?« gab Hatsumomo zurück. »Ein Spiegel hat keine Farbe, Awaji-san.«
    »Aber natürlich hat er die. Er ist funkelnd grau. Wenn du in einen Spiegel blickst, siehst du nur dich selbst. Aber ich kann eine wunderschöne Farbe erkennen, wenn ich sie sehe.«
    »Wirklich? Nun ja, ich finde sie nicht so schön. Ich habe mal einen Toten gesehen, den man aus dem Fluß gezogen hat; seine Zunge hatte die gleiche Farbe wie ihre Augen.«
    »Vielleicht bist du selbst viel zu hübsch, um die Schönheit anderer Menschen wahrzunehmen«, sagte Awajiumi, schlug ein Kontobuch auf und griff nach seinem Federhalter. »Wie dem auch sei, jetzt werden wir dieses Mädchen eintragen. Also… Chiyo, nicht wahr? Nenne mir deinen vollen Namen, Chiyo, und deinen Geburtsort.«
    Als ich diese Worte hörte, stellte ich mir unwillkürlich vor, wie Satsu verwirrt und voller Angst zu Awajiumi emporblickte. Irgendwann mußte sie auch in diesem Büro gewesen sein. Denn wenn ich mich eintragen lassen mußte, mußte sie das sicher auch.
    »Mein Familienname ist Sakamoto«, antwortete ich ihm. »Geboren bin ich in Yoroido. Sie haben vielleicht davon gehört, Herr – von meiner älteren Schwester Satsu.«
    Ich dachte, Hatsumomo würde wütend auf mich sein, doch zu meinem Erstaunen schien sie meine Frage voll Befriedigung zu hören.
    »Wenn sie älter ist als du, müßte ich sie bereits eingetragen haben«, erklärte mir Awajiumi. »Aber sie ist mir noch nicht untergekommen. Ich glaube kaum, daß sie in Gion ist.«
    Jetzt wußte ich, was Hatsumomos Lächeln bedeutete: Sie hatte von vornherein gewußt, was Awajiumi sagen würde. Wenn ich irgendwelche Zweifel gehabt hätte, ob sie wirklich mit meiner Schwester gesprochen hatte, waren diese jetzt ausgeräumt. Es gab noch andere Geisha-Viertel in Kyoto, obwohl ich bis jetzt noch nicht viel darüber gehört hatte. Irgendwo in einem davon war Satsu, und ich war felsenfest

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