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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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hob es auf und kehrte mit Tränen in den Augen an ihren Platz zurück.
    Gleich anschließend erfuhr ich, warum Kürbisköpfchen auf gar keinen Fall die letzte sein wollte. Denn nun kam das Mädchen mit den flatternden Haaren an die Reihe, das in die Schule gehastet war, als wir zum Frühstück gingen. Sie ging nach vorn und verneigte sich.
    »Verschwende deine Zeit nicht damit, höflich zu mir sein zu wollen!« fuhr Lehrerin Maus sie an. »Wenn du heute morgen nicht verschlafen hättest, wärst du rechtzeitig gekommen, um etwas zu lernen.«
    Das Mädchen entschuldigte sich und begann zu spielen, aber die Lehrerin schenkte ihr keine Beachtung. Sie trank ihren Tee und sagte: »Du verschläfst am Morgen. Wie kannst du erwarten, daß ich dich unterrichte, wenn du dir nicht mal Mühe gibst, zur Schule zu kommen wie die anderen Mädchen und dich rechtzeitig einzutragen? Geh sofort auf deinen Platz zurück. Ich habe keine Lust, mich um dich zu kümmern.«
    Die Klasse wurde entlassen, und Kürbisköpfchen brachte mich nach vorn, wo wir uns vor Lehrerin Maus verneigten.
    »Darf ich Ihnen Chiyo vorstellen, Lehrerin«, begann Kürbisköpfchen, »und Sie bitten, sie zu unterrichten, denn sie ist ein Mädchen von sehr geringem Talent.«
    Damit wollte mich Kürbisköpfchen nicht beleidigen, sie sprach nur so, weil das damals als höflich galt. Eine ganze Weile gab Lehrerin Maus keine Antwort, sondern musterte mich schweigend. Dann sagte sie: »Du bist ein intelligentes Mädchen. Das erkenne ich schon, wenn ich dich nur ansehe. Vielleicht kannst du deiner älteren Schwester bei den Lektionen helfen.«
    Damit meinte sie natürlich Kürbisköpfchen.
    »Häng deinen Namen jeden Morgen so früh wie möglich an die Hakenleiste«, wies sie mich an. »Verhalte dich im Klassenzimmer ruhig. Ich dulde kein Schwatzen! Und du mußt immer nach vorn sehen. Wenn du diese Vorschriften befolgst, werde ich dich unterrichten, so gut ich kann.«
    Damit entließ sie uns.
    Auf den Fluren zwischen den Klassenzimmern hielt ich ständig Ausschau nach Satsu, konnte sie aber nirgends entdecken. Allmählich befürchtete ich, daß ich sie niemals wiedersah, und dieser Gedanke machte mich so unglücklich, daß eine der Lehrerinnen vor dem Unterricht für Ruhe sorgte und mich fragte:
    »Du da! Was ist mit dir los?«
    »Ach, gar nichts, Herrin. Ich hab’ mir nur auf die Lippe gebissen«, antwortete ich. Zum Beweis dafür – wegen der Mädchen um mich herum, die mich anstarrten – biß ich mir kräftig auf die Lippe, bis ich Blut schmeckte.
    Erleichtert stellte ich fest, daß Kürbisköpfchens andere Unterrichtsstunden nicht so schmerzlich anzusehen waren wie die erste. Beim Tanzen probten die Schülerinnen zum Beispiel gemeinsam gewisse Bewegungen – mit dem Ergebnis, daß keine besonders auffiel. Kürbisköpfchen war bei weitem nicht die schlechteste Tänzerin, und in der Art, wie sie sich bewegte, lag sogar eine gewisse unbeholfene Grazie. Der Gesangsunterricht später am Vormittag war für sie allerdings problematischer, weil sie so furchtbar unmusikalisch war, aber auch da probten die Schülerinnen im Chor, so daß Kürbisköpfchen ihre Fehler kaschieren konnte, indem sie eifrig die Lippen bewegte, ohne einen Ton von sich zu geben.
    Nach jeder Stunde stellte sie mich der Lehrerin vor. Eine von ihnen fragte mich: »Du wohnst in derselben Okiya wie Kürbisköpfchen, nicht wahr?«
    »Ja, Herrin«, antwortete ich, »in der Nitta-Okiya.« Denn Nitta war der Familienname von Großmama, Mutter und Tantchen.
    »Das heißt, du lebst mit Hatsumomo-san zusammen.«
    »Ja, Herrin. Hatsumomo ist gegenwärtig die einzige Geisha in unserer Okiya.«
    »Ich werde mir die größte Mühe geben, dich singen zu lehren«, sagte sie. »Solange es dir gelingt, am Leben zu bleiben!«
    Dann lachte die Lehrerin, als hätte sie einen köstlichen Witz gemacht, und schickte uns davon.

5. KAPITEL
    An jenem Nachmittag ging Hatsumomo mit mir ins Registerbüro von Gion. Ich hatte etwas besonders Großartiges erwartet, doch wie sich herausstellte, bestand es nur aus mehreren dunklen Tatami-Zimmern im ersten Stock des Schulhauses, die mit Schreibtischen und Kontobüchern angefüllt waren und fürchterlich nach Zigaretten stanken. Ein Beamter musterte uns durch den dichten Rauch und dirigierte uns mit einem Kopfnicken ins Hinterzimmer. Dort saß an einem Tisch mit hohen Papierstapeln der unförmigste Mann, den ich je im Leben gesehen hatte. Damals wußte ich es noch nicht, aber er war

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