Die Geisha - Memoirs of a Geisha
zu einem erfolgreichen Abschluß führen, unterziehen sich die Geisha und ihr neuer danna genauso einer Zeremonie wie zwei Geishas, wenn sie Schwestern werden. In den meisten Fällen dauert diese Verbindung etwa sechs Monate, vielleicht auch länger, denn Männer langweilen sich ja so schnell. Der danna verpflichtet sich vermutlich dazu, einen Teil der Schulden seiner neuen Geliebten abzuzahlen, monatlich einen Teil ihrer Lebenshaltungskosten zu bestreiten – etwa für ihr Make-up, möglicherweise einen Teil ihres Schulgeldes und höchstwahrscheinlich ihre Arztkosten. Derlei Dinge. Trotz dieser hohen Ausgaben wird er ihr jedoch weiterhin das übliche Stundenhonorar bezahlen, wenn er Zeit mit ihr verbringt, wie das ihre anderen Kunden tun. Dafür genießt er allerdings auch gewisse »Privilegien«.
So sähe das Arrangement für eine durchschnittliche Geisha aus. Eine Spitzengeisha jedoch, von denen es vermutlich dreißig bis vierzig in Gion gab, würde bei weitem mehr verlangen. Zunächst einmal würde sie niemals in Betracht ziehen, ihren Ruf durch eine ganze Reihe von dannas zu schädigen, sondern sich in ihrem ganzen Leben höchstens einen oder zwei nehmen. Und ihr danna würde nicht nur ihren gesamten Lebensunterhalt wie etwa das Registrierungsgeld, das Schulgeld und ihre Mahlzeiten übernehmen, sondern sie darüber hinaus mit einem Taschengeld versorgen, Tanzaufführungen für sie sponsern und ihr Kimonos und Schmuck schenken. Und wenn er Zeit mit ihr verbringt, wird er ihr nicht das übliche Stundenhonorar zahlen, sondern als Geste des guten Willens weitaus mehr.
Mameha gehörte natürlich zu diesen Spitzengeishas; tatsächlich war sie, wie ich erfuhr, vermutlich eine der zwei oder drei bekanntesten Geishas von ganz Japan. Sie haben vielleicht von der berühmten Geisha Mametsuki gehört, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg eine Affäre mit dem japanischen Premierminister hatte und einen wilden Skandal auslöste. Das war Mamehas ältere Schwester, und deswegen trugen beide das »Mame« in ihrem Namen. Es ist üblich, daß eine junge Geisha ihren Namen von dem ihrer älteren Schwester ableitet.
Eine ältere Schwester wie Mametsuki zu haben hätte bereits genügt, um Mameha eine erfolgreiche Karriere zu sichern. Anfang der zwanziger Jahre startete das Japanische Reisebüro jedoch eine erste internationale Werbekampagne. Die Poster zeigten ein wunderschönes Foto von der Pagode des Toji-Tempels im südöstlichen Kyoto, mit einem Kirschbaum auf der einen und einer hübschen jungen Lerngeisha auf der anderen Seite, die sehr scheu und graziös und außerordentlich zart wirkte. Diese Lerngeisha war Mameha.
Es wäre untertrieben zu sagen, daß Mameha berühmt wurde. Das Poster wurde in allen Großstädten der Welt ausgestellt, immer mit dem Werbespruch »Besuchen Sie uns im Land der Aufgehenden Sonne« in allerlei Fremdsprachen – nicht nur Englisch, sondern auch Deutsch, Französisch, Russisch und… ach, viele andere Sprachen, von denen ich noch nie gehört hatte. Mameha war damals erst sechzehn und sah sich plötzlich damit konfrontiert, zu jedem Staatsoberhaupt gerufen zu werden, das Japan besuchte, jedem Aristokraten aus England oder Deutschland und jedem Millionär aus den Vereinigten Staaten. Sie schenkte nicht nur dem großen deutschen Schriftsteller Thomas Mann Sake ein, der ihr anschließend durch einen Dolmetscher eine endlos langweilige Geschichte erzählte, die fast eine Stunde dauerte, sondern auch Charlie Chaplin, Sun Yat-sen und später Ernest Hemingway, der sich ganz furchtbar betrank und behauptete, die schönen roten Lippen in ihrem weißen Gesicht erinnerten ihn an Blut im Schnee. In den Jahren danach wurde Mameha noch berühmter, weil sie im Kabukiza-Theater in Tokyo eine Anzahl groß angekündigter Tanzdarbietungen aufführte, zu denen gewöhnlich der Premierminister und zahlreiche andere Leuchten des Landes erschienen.
Als Mameha ihre Absicht kundtat, mich als jüngere Schwester zu nehmen, hatte ich keine Ahnung von alledem, und das war gut so. Denn sonst wäre ich so eingeschüchtert gewesen, daß ich in ihrer Gegenwart nur noch gezittert hätte.
An jenem Tag in ihrer Wohnung war Mameha so freundlich, sich mit mir hinzusetzen und mir einen großen Teil all dieser Dinge mitzuteilen. Als sie überzeugt war, daß ich sie verstanden hatte, fuhr sie fort:
»Nach deinem Debüt bist du bis zum Alter von achtzehn Jahren Lerngeisha. Danach wirst du einen danna brauchen, um deine Schulden
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