Die Geisha - Memoirs of a Geisha
zurückzuzahlen. Einen sehr wohlhabenden danna. Meine Aufgabe wird es sein, dafür zu sorgen, daß du bis dahin in Gion bekannt bist, aber die deine wird es sein, fleißig daran zu arbeiten, eine vollendete Tänzerin zu werden. Wenn du’s bis zum Alter von sechzehn Jahren nicht bis mindestens zum fünften Grad schaffst, wird dir alles, was ich für dich tun kann, nicht helfen können, und Frau Nitta wird hocherfreut sein, ihre Wette mit mir gewonnen zu haben.«
»Aber Mameha-sen«, wandte ich ein, »ich verstehe nicht, was der Tanz damit zu tun hat.«
»Alles hat der Tanz damit zu tun«, erklärte sie mir. »Wenn du dir die erfolgreichsten Geishas von Gion ansiehst, wirst du feststellen, daß jede einzelne von ihnen eine hervorragende Tänzerin ist.«
Der Tanz ist die am höchsten geehrte Kunst der Geishas. Nur die vielversprechendsten und schönsten Geishas werden aufgefordert, sich auf den Tanz zu spezialisieren, und wenn man von der Teezeremonie einmal absieht, gibt es wohl nichts, das auf eine derart reiche Tradition zurückblicken kann wie der Tanz. Die Inoue-Schule des Tanzes, wie sie von Gions Geishas ausgeübt wird, entspringt dem No-Theater. Und weil No eine uralte Kunst ist, die schon immer vom kaiserlichen Hof gefördert wurde, halten die Tänzerinnen von Gion ihre Kunst jener Tanzschule, die im Pontocho-Viertel auf der anderen Seite des Flusses ausgeübt wird und vom Kabuki herkommt, für überlegen. Ich selbst bin eine große Bewunderin des Kabuki-Theaters und hatte sogar das Glück, zu meinen Freunden auch eine Anzahl der berühmtesten Kabuki-Schauspieler dieses Jahrhunderts zu zählen. Aber Kabuki ist eine relativ junge Kunstform, die erst im achtzehnten Jahrhundert entstand, und wurde stets mehr vom gewöhnlichen Volk geschätzt als vom Kaiserhof. Man kann den Tanz in Pontocho einfach nicht mit der Inoue-Schule von Gion vergleichen.
Alle Geishaschülerinnen müssen den Tanz studieren, doch wie schon gesagt, werden nur die vielversprechenden und attraktiven Lerngeishas ermutigt, sich darauf zu spezialisieren und echte Tänzerinnen zu werden statt Shamisen-Spielerinnen oder Sängerinnen. Der Grund, warum Kürbisköpfchen mit ihrem weichen, runden Gesicht soviel Zeit damit verbrachte, auf dem Shamisen zu üben, war die Tatsache, daß sie leider nicht zur Tänzerin erwählt wurde. Was mich betraf, so war ich nicht so perfekt schön, daß mir gar keine andere Wahl blieb als der Tanz, wie das bei Hatsumomo der Fall war. Ich dachte, daß ich nur Tänzerin werden könnte, wenn ich meinen Lehrerinnen bewies, daß ich bereit war, so hart zu arbeiten, wie ich nur konnte.
Dank Hatsumomo hatte ich leider einen sehr schlechten Start beim Unterricht. Meine Lehrerin war eine Frau von ungefähr fünfzig Jahren, unter uns Schülerinnen bekannt als Lehrerin Steiß, weil ihre Haut unter dem Kinn so eingezogen war, daß sie ein kleines Hinterteil bildete. Lehrerin Steiß haßte Hatsumomo ebensosehr wie alle anderen in Gion, und Hatsumomo wußte das. Was meinen Sie also, was sie tat? Sie ging zu ihr – ich weiß davon, weil Lehrerin Steiß es mir einige Jahre später erzählte – und sagte:
»Lehrerin, dürfte ich Sie um eine Gefälligkeit bitten? Ich habe da eine Ihrer Schülerinnen im Auge, die überaus begabt zu sein scheint. Daher wäre ich Ihnen unendlich dankbar, wenn Sie mir sagen könnten, was Sie von ihr halten. Ihr Name ist Chiyo, und sie liegt mir wirklich sehr am Herzen. Für jede ganz spezielle Hilfe, die Sie ihr angedeihen lassen könnten, wäre ich Ihnen äußerst verbunden.«
Von da an brauchte Hatsumomo kein einziges Wort mehr zu sagen, denn Lehrerin Steiß ließ mir tatsächlich jene »ganz spezielle Hilfe« angedeihen, auf die Hatsumomo gehofft hatte. Mein Tanz war im Grunde gar nicht so schlecht, doch Lehrerin Steiß benutzte mich von Anfang an als Exempel dafür, wie man es nicht machen sollte. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Vormittag, an dem sie uns eine Bewegung zeigte, bei der man den Arm auf eine ganz bestimmte Art vor dem Körper herziehen und dann mit dem Fuß auf die Matten stampfen mußte. Diese Bewegung sollten wir alle nachmachen, doch als wir Anfängerinnen am Ende der Bewegung mit dem Fuß aufstampften, klang es, als wäre ein Tablett mit Bohnensäckchen auf den Fußboden gestürzt, denn kein einziger Fuß traf die Matten im selben Moment wie ein anderer. Ich kann Ihnen versichern, daß ich dabei nicht schlechter war als die übrigen, doch Lehrerin Steiß kam sofort
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