Die Geisha - Memoirs of a Geisha
so hohl wie ein dicker, riesiger Kürbis?«
Damit kniff sie Kürbisköpfchen so grausam in die Lippe, daß ihr das Shamisen vom Schoß auf den Verandagang rutschte, auf dem sie saß, und von dort auf den Hofkorridor.
»Du und ich, wir müssen uns unterhalten«, fuhr Hatsumomo fort. »Du wirst jetzt dein Shamisen einpacken, und ich werde hier stehenbleiben, um darüber zu wachen, daß du nicht noch mehr Dummheiten machst.«
Als Hatsumomo sie wieder losließ, trat Kürbisköpfchen auf den Boden hinab, um ihr Shamisen aufzuheben, und begann es auseinanderzunehmen. Sie warf mir einen mitleiderregenden Blick zu, und ich dachte, daß sie sich vielleicht beruhigen würde. Statt dessen begannen ihre Lippen zu zittern, und gleich darauf zitterte ihr ganzes Gesicht wie der Boden bei einem Erdbeben. Während ihr die Tränen über die Wangen rollten, hob sie die Hand an ihre Lippe, die schon anzuschwellen begann. Hatsumomos Miene entspannte sich, als hätte sich der zornige Himmel entladen, und mit einem selbstzufriedenen Lächeln wandte sie sich zu mir um.
»Du wirst dir eine andere Freundin suchen müssen«, sagte sie höhnisch. »Nachdem ich mit Kürbisköpfchen geredet habe, wird sie klug genug sein, nie wieder ein einziges Wort mit dir zu sprechen. Nicht wahr, Kürbisköpfchen?«
Kürbisköpfchen nickte, denn ihr blieb natürlich keine Wahl. Aber ich wußte, wie leid ihr das tat. Von da an übten wir nie wieder gemeinsam Shamisen.
Als ich Mameha das nächstemal besuchte, berichtete ich ihr von dem Zwischenfall.
»Ich hoffe, du hast dir das, was Hatsumomo zu dir gesagt hat, zu Herzen genommen«, antwortete sie. »Wenn Kürbisköpfchen kein Wort mehr mit dir sprechen darf, dann wirst auch du kein Wort mehr mit ihr sprechen. Du bringst sie sowieso nur in Schwierigkeiten, und außerdem wird sie Hatsumomo berichten müssen, was du zu ihr gesagt hast. Auch wenn du dem armen Mädchen früher hast trauen können, von heute an ist das nicht mehr möglich.«
Als ich das hörte, war ich so traurig, daß ich eine Zeitlang zu keiner Äußerung fähig war. »Mit Hatsumomo in ein und derselben Okiya zu wohnen«, sagte ich schließlich, »das ist, als versuchte ein Schwein, im Schlachthaus zu überleben.«
Als ich das sagte, dachte ich an Kürbisköpfchen, aber Mameha hatte anscheinend den Eindruck, daß ich von mir selber sprach. »Du hast ganz recht«, stimmte sie mir zu. »Du kannst dich nur wehren, indem du erfolgreicher als Hatsumomo wirst und sie aus dem Haus vertreibst.«
»Aber alle sagen, daß sie eine der beliebtesten Geishas von Gion ist. Ich kann mir nicht vorstellen, jemals so beliebt zu werden wie sie.«
»Ich habe nicht beliebt gesagt«, gab Mameha mir zurück, »sondern erfolgreich. An möglichst vielen Partys teilzunehmen ist nicht alles. Ich lebe mit einem eigenen Dienstmädchen in einer sehr geräumigen Wohnung, während Hatsumomo – die vermutlich an ebenso vielen Partys teilnimmt wie ich – noch immer in der Nitta-Okiya lebt. Wenn ich erfolgreich sage, meine ich damit eine Geisha, die sich ihre Unabhängigkeit erkämpft hat. Bis eine Geisha ihre eigene Kimono-Sammlung zusammengetragen hat – oder bis sie von einer Okiya adoptiert wird, was ungefähr auf das gleiche hinausläuft –, wird sie ihr Leben lang von irgend jemandem abhängig sein. Du hast doch einige meiner Kimonos gesehen, nicht wahr? Was glaubst du, wie ich zu denen gekommen bin?«
»Ich hatte gedacht, daß Sie, bevor Sie diese Wohnung bezogen haben, von einer Okiya adoptiert worden seien.«
»Bis vor fünf Jahren habe ich tatsächlich in einer Okiya gelebt. Aber die Herrin dort hat eine uneheliche Tochter. Deswegen wollte sie keine andere adoptieren.«
»Haben Sie Ihre ganze Kimono-Sammlung selbst gekauft?«
»Was glaubst du, wieviel eine Geisha verdient, Chiyo? Eine vollständige Kimono-Sammlung, das heißt nicht etwa zwei bis drei Gewänder für jede Jahreszeit. Das Leben mancher Männer dreht sich ausschließlich um Gion. Die langweilen sich, wenn sie uns jeden Abend in derselben Aufmachung sehen.«
Meine Miene muß verraten haben, wie verwirrt ich darob war, denn Mameha lachte über meinen Ausdruck.
»Nur Mut, Chiyo-chan, es gibt eine Antwort auf diese Frage. Mein danna ist ein sehr großzügiger Mann, er hat mir die meisten Kimonos geschenkt. Und deswegen bin ich erfolgreicher als Hatsumomo. Ich habe einen sehr reichen danna, sie dagegen hat überhaupt keinen.«
Inzwischen war ich lange genug in Gion, um in etwa zu verstehen, was
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