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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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niemals zueinanderpassen werden. Die Tatsache, daß ein junges Mädchen bereitwillig dasitzt und einem erwachsenen Mann gestattet, ihr Wachs in die Haare zu kämmen, ohne mehr zu tun, als leise vor sich hin zu wimmern, sagt eine Menge darüber aus, wie zivilisiert die Menschen sind. Hätte man das gleiche mit einem Hund gemacht, er hätte so schnell zugeschnappt, daß der Mann seine Hände nicht mehr gebrauchen könnte.
    Als mein Haar endlich gewachst war, strich der Friseur die Vorderpartie zurück und steckte den Rest zu einem dicken Knoten auf, der wie ein Nadelkissen aussah. Weil dieses Nadelkissen, von hinten gesehen, zweigeteilt ist, bezeichnet man die Frisur als »Gespaltener Pfirsich«.
    Obwohl ich den »Gespaltenen Pfirsich« mehrere Jahre lang trug, gibt es etwas darüber zu sagen, was mir nie in den Kopf gekommen wäre, wenn mich nicht sehr viel später ein Mann darauf aufmerksam gemacht hätte. Der Knoten – das, was ich als »Nadelkissen« bezeichnet habe – entsteht, indem die Haare um ein Stück Stoff gewickelt werden. Hinten, wo sich der Knoten teilt, wird dieser Stoff sichtbar; er kann viele Muster und Farben haben, doch bei einer Lerngeisha – zumindest ab einem gewissen Zeitpunkt in ihrem Leben – ist es rote Seide. Eines Abends sagte ein Mann zu mir:
    »Die meisten dieser unschuldigen kleinen Mädchen haben keine Ahnung, wie provokativ die Frisur des ›Gespaltenen Pfirsichs‹ eigentlich ist! Stell dir vor, du gehst hinter einer jungen Geisha her und stellst dir alle möglichen unschicklichen Dinge vor, die du mit ihr anstellen möchtest, und dann siehst du auf ihrem Kopf diesen ›Gespaltenen Pfirsich‹ mit einem grellroten Streifen im Spalt… Woran würdest du da denken?«
    Nun ja, ich dachte eigentlich an gar nichts, und das sagte ich ihm auch.
    »Benutz doch deine Phantasie!« sagte er.
    Nach einem Moment begriff ich und wurde so rot, daß er lachen mußte.
    Auf dem Rückweg in die Okiya war es mir gleichgültig, daß meine arme Kopfhaut sich anfühlte, wie der Ton sich fühlen muß, nachdem der Töpfer mit einem scharfen Stift ein Muster in ihn geritzt hat. Jedesmal, wenn ich in einer Schaufensterscheibe mein Spiegelbild sah, hatte ich das Gefühl, jemand zu sein, der ernst zu nehmen war: kein Mädchen mehr, sondern eine junge Frau. Als ich in der Okiya ankam, mußte ich Tantchen meine Frisur vorführen, und sie lobte sie sehr. Sogar Kürbisköpfchen konnte es sich nicht verkneifen, einmal bewundernd um mich herumzugehen, obwohl Hatsumomo zornig gewesen wäre, wenn sie davon gewußt hätte. Und was glauben Sie, wie Mutter reagierte? Um besser sehen zu können, stellte sie sich auf die Zehenspitzen – obwohl das wenig nutzte, weil ich inzwischen größer war als sie – und sagte tadelnd, ich hätte wohl lieber zu Hatsumomos Friseur gehen sollen statt zu Mamehas.
    Auch wenn eine junge Lerngeisha anfangs stolz auf ihre Frisur ist, so beginnt sie spätestens nach drei bis vier Tagen, sie zu hassen. Denn sehen Sie, wenn ein Mädchen erschöpft vom Friseur kommt und den Kopf zu einem kurzen Nickerchen aufs Kissen legt, wie sie es noch in der Nacht zuvor getan hat, wird ihr Haar völlig zerdrückt werden. Und sobald sie erwacht, wird sie sofort abermals zum Friseur gehen müssen. Aus diesem Grund muß sich eine junge Lerngeisha, sobald ihr Haar zum erstenmal frisiert wurde, eine ganz neue Schlafposition angewöhnen. Sie darf kein gewöhnliches Kopfkissen mehr benutzen, sondern ein takamakura, das ich schon einmal erwähnt habe, das »hohe Kissen«. Das ist nun nicht etwa ein Kissen, sondern eher eine Stütze für den Nacken. Die meisten sind zwar mit einem Säckchen Weizenspreu gepolstert, aber auch dann sind sie nicht viel bequemer als ein Stein. Da liegt man dann auf seinem Futon, mit den Haaren in der Luft, und denkt, alles sei in Ordnung, bis man einschläft, und wenn man aufwacht, hat man sich im Schlaf bewegt, der Kopf liegt wieder auf den Matten und die Frisur ist so flach, als hätte man sich gar nicht erst die Mühe gemacht, eine Nackenstütze zu benutzen. Tantchen trieb es mir aus, indem sie ein Tablett mit Reismehl unter meiner Frisur auf die Matten stellte. Jedesmal, wenn mein Kopf im Schlaf zurücksank, berührte mein Haar das Reismehl, das an dem Wachs klebenblieb und meine Frisur ruinierte. Ich hatte schon gesehen, wie Kürbisköpfchen diese Tortur mitmachen mußte. Jetzt war ich an der Reihe. Eine Zeitlang wachte ich jeden Morgen mit ruinierter Frisur auf und mußte beim

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