Die Geisha - Memoirs of a Geisha
aus Fäden geflochten, die in einem wunderschönen Rotton lackiert waren. Seine Klauen und Zähne waren silbern, die Augen aus Gold – echtem Gold. Unwillkürlich füllten sich meine Augen mit Tränen, und ich mußte schnell zur Decke blicken, damit sie mir nicht über die Wangen rollten. Bevor ich die Okiya verließ, nahm ich das Taschentuch, das mir der Direktor gegeben hatte, und steckte es mir als Glücksbringer in den Obi.
Tantchen begleitete mich zu Mamehas Wohnung, wo ich Mameha meinen Dank ausdrückte und versprach, sie zu ehren und zu respektieren. Dann gingen wir zu dritt zum Gion-Schrein, wo Mameha und ich in die Hände klatschten, um den Göttern zu verkünden, daß wir binnen kurzem als Schwestern verbunden sein würden. Ich bat um ihre Gunst in den vor mir liegenden Jahren, dann schloß ich die Augen und dankte ihnen dafür, daß sie mir den Wunsch erfüllten, den ich vor dreieinhalb Jahren vorgebracht hatte: den Wunsch, Geisha zu werden.
Die Zeremonie sollte im Ichiriki-Teehaus stattfinden, das eindeutig das bekannteste Teehaus von ganz Japan ist. Es hat eine lange Geschichte, zum Teil, weil sich Anfang des achtzehnten Jahrhunderts ein berühmter Samurai dort versteckt hatte. Vielleicht haben Sie mal die Geschichte von den Siebenundvierzig Ronin gehört, die den Tod ihres Lehnsherrn rächten und anschließend zum Selbstmord durch Seppuku verurteilt wurden: Ihr Anführer verbarg sich im Ichiriki-Teehaus, während er den Racheplan schmiedete. Die meisten erstklassigen Teehäuser von Gion sind bis auf ihren schlichten Eingang von der Straße aus nicht zu sehen, aber das Ichiriki ist so unübersehbar wie ein Apfel an einem Baum. Es liegt an einer auffälligen Ecke der Shijo-Avenue, umgeben von einer glatten, apricotfarbenen Mauer mit Ziegeldach. Auf mich wirkte es wie ein Palast.
Dort gesellten sich zwei von Mamehas jüngeren Schwestern und ihre Mutter zu uns. Nachdem wir uns im äußeren Garten versammelt hatten, führte uns eine Dienerin durch die Eingangshalle und einen wunderschön mäandernden Korridor entlang in ein kleines, rückwärtiges Tatami-Zimmer. Noch nie hatte ich eine so elegante Umgebung erlebt. Jeder Zentimeter der Holzverzierungen glänzte, jede Gipswand war makellos glatt. Ich roch den süßen, staubigen Duft des kuroyaki – Kohlenschwarz –, eine Art Parfüm aus Holzkohle, die zu einem weichen, grauen Pulver zermahlen wird. Es ist sehr altmodisch, und sogar Mameha, eine wirklich sehr traditionelle Geisha, bevorzugte etwas Westlicheres. Aber im Ichiriki lag das von Generationen von Geishas benutzte kuroyaki noch immer in der Luft. Ich besitze noch einen Rest davon, den ich in einem Holzflakon aufbewahre, und wenn ich es rieche, fühle ich mich wieder dorthin zurückversetzt.
Die Zeremonie, an der die Herrin des Ichiriki teilnahm, dauerte nur etwa zehn Minuten. Eine Dienerin brachte ein Tablett mit mehreren Sakeschalen, aus denen Mameha und ich zusammen tranken. Ich trank drei Schluck, gab dann die Schale an Mameha weiter, und sie trank ebenfalls drei Schluck. So machten wir es mit drei verschiedenen Schalen, und dann war alles schon vorbei. Von diesem Augenblick an war ich nicht mehr Chiyo, sondern die Geishanovizin Sayuri. Während der ersten Monate ihrer Lehrzeit wird die Lerngeisha als »Novizin« bezeichnet und darf ohne ihre ältere Schwester weder Tänze darbieten noch Gäste unterhalten; im Grunde tut sie fast nichts außer beobachten und lernen. Was meinen Namen Sayuri betrifft, so hatten Mameha und ihr Wahrsager lange gebraucht, bis sie ihre Wahl getroffen hatten. Es ist nämlich nicht der Klang eines Namens allein, der wichtig ist, auch die Bedeutung der Schriftzeichen spielt eine Rolle, genau wie die Zahl der Pinselstriche, den er enthält, denn es gibt glückbringende und unglückbringende Strichzahlen. Mein neuer Name war aus sa, das heißt »zusammen«, yu, dem Tierkreiszeichen für Henne – um die anderen Elemente meiner Persönlichkeit auszugleichen –, und ri –»Verständnis«– zusammengesetzt. Alle Kombinationen, die einen Teil von Mamehas Namen enthielten, waren vom Wahrsager leider als ungünstig verworfen worden.
Ich hielt Sayuri für einen schönen Namen, aber es war seltsam, nicht mehr Chiyo zu heißen. Nach der Zeremonie gingen wir in ein anderes Zimmer hinüber, wo wir eine Mittagsmahlzeit aus »rotem Reis«, das heißt Reis mit roten Bohnen, einnahmen. Ich stocherte lustlos darin herum, denn ich fühlte mich seltsam unsicher, und mir war gar nicht
Weitere Kostenlose Bücher