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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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Friseur lange warten, bis ich Gelegenheit bekam, mich nochmals foltern zu lassen.
    Während der Woche vor meinem Debüt kleidete mich Tantchen jeden Nachmittag in den ganzen Staat einer Lerngeisha und ließ mich im Hofkorridor der Okiya auf und ab gehen, um mein Durchhaltevermögen zu stärken.
    Anfangs konnte ich fast überhaupt nicht gehen und fürchtete hintüberzufallen. Junge Mädchen, wissen Sie, kleiden sich nämlich weitaus kostbarer als ältere Frauen, das heißt, in leuchtendere Farben und auffallendere Stoffe, aber auch mit einem längeren Obi. Eine reife Frau schlingt den Obi im Rücken zu einem sogenannten »Trommelknoten«, der eine saubere, kleine Kastenform hat und nicht besonders viel Stoff erfordert. Ein Mädchen, das jünger als etwa zwanzig ist, trägt ihren Obi dagegen in einem auffallenderen Stil. Bei einer Lerngeisha bedeutet das die auffallendste Form von allen, nämlich einen darari-ôbi – einen »hängenden Obi«–, der fast an den Schulterblättern geknotet wird, während die Enden nahezu auf den Boden hängen. Ganz gleich, wie leuchtend die Farben eines Kimonos sein mögen, der Obi ist fast immer noch leuchtender. Wenn eine Lerngeisha vor Ihnen auf der Straße geht, bemerken Sie nicht etwa ihren Kimono zuerst, sondern ihren leuchtend gefärbten hängenden Obi, der nur einen Streifen des Kimonos an den Schultern und an den Seiten freiläßt. Um diese Wirkung zu erreichen, muß der Obi so lang sein, daß er von einem Ende des Zimmers bis zum anderen reicht. Aber es ist nicht die Länge des Obi, die einem zu schaffen macht, sondern sein Gewicht, denn er ist fast immer aus schwerem Seidenbrokat. Ihn nur die Treppe hinaufzubringen ist unendlich anstrengend, also können Sie sich vorstellen, wie es ist, wenn man ihn trägt: Das dicke Gewirk umschließt die Taille wie eine von diesen gefährlichen Schlangen, und der schwere Stoff, der hinten herabhängt, gibt einem das Gefühl, als hätte man einen Schrankkoffer auf dem Rücken.
    Zu allem Übel ist auch noch der Kimono mit seinen langen Hängeärmeln sehr schwer. Ich meine nicht die Ärmel, die über die Hand bis auf den Boden fallen. Wenn eine Frau, die einen Kimono trägt, die Arme ausstreckt, werden Sie vielleicht bemerkt haben, daß der Stoff unter dem Ärmel tief hinabhängt und so etwas wie eine Tasche bildet. Diese Beuteltasche, die wir den furi nennen, ist es, die am Kimono einer Lerngeisha so lang ist. Wenn das Mädchen nicht vorsichtig ist, schleift sie möglicherweise über den Boden, und beim Tanzen wird sie über die Ärmel stolpern, wenn sie sie nicht vorher mehrmals um ihre Arme gewickelt hat.
    Jahre später sagte ein berühmter Naturwissenschaftler der Universität von Kyoto, als er eines Abends sehr betrunken war, etwas über die Kleidung der Lerngeishas, das ich niemals vergessen habe. »Der Mandrill aus Zentralafrika wird immer wieder als der auffallendste aller Primaten bezeichnet«, sagte er. »Ich dagegen halte die Lerngeisha von Gion für den Primaten, der die grellsten Farben aufweist.«
    Endlich kam dann der Tag, an dem Mameha und ich die Zeremonie vollziehen sollten, die uns als Schwestern verband. Ich ging schon früh ins Bad und verbrachte den Vormittag damit, mich anzukleiden. Tantchen half mir, letzte Hand an mein Make-up und meine Frisur zu legen. Das Wachs und das Make-up, die mein Gesicht bedeckten, verliehen mir das seltsame Gefühl, mein Gesicht sei völlig empfindungslos geworden; jedesmal, wenn ich meine Wange berührte, spürte ich nur einen undeutlichen Druck. Das tat ich so oft, daß Tantchen mein Make-up erneuern mußte. Als ich mich später im Spiegel betrachtete, ereignete sich etwas sehr Merkwürdiges. Ich wußte, daß ich es war, die da vor dem Schminktisch kniete, aber gleichzeitig kniete da dieses völlig fremde Wesen, das mich aus dem Spiegel ansah. Ich streckte tatsächlich die Hand aus, um dieses Mädchen zu berühren, und zuckte vor dem kalten Glas zwischen uns zurück. Sie trug das prächtige Make-up einer Geisha. Ihre Lippen blühten rot in dem kalkweißen Gesicht, während die Wangen in einem sanften Rosa getönt waren. Ihr Haar war mit Seidenblumen und Reisrispen dekoriert. Sie trug einen festlichen schwarzen Kimono mit dem Wappen der Nitta-Okiya. Als ich mich schließlich losreißen konnte und mich erhob, ging ich auf den Flur hinaus und bestaunte mich im hohen Spiegel draußen. Vom Saum meines Gewandes aus wand sich bis zur Mitte des Oberschenkels ein gestickter Drache. Seine Mähne war

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