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Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)

Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)

Titel: Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner , Walter von Lucadou
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Fähigkeiten angesehen, da sie dieses Phänomen eben in seinen Auswirkungen erleben. Sie haben reale Empfindungen und bilden sich diese nicht ein. Leider stoßen sie dabei oft auf Ablehnung, da Außenstehende »Verhexungsvorstellungen« eher als Wahnvorstellungen oder zumindest als paranoide Störungen betrachten und die Betroffenen nicht recht ernst nehmen. Menschen, die unter dem Verhexungssyndrom leiden, haben also genau genommen zwei Probleme: zum einen ihre Empfindungen und Beschwerden, zum anderen Ausgrenzung, Ablehnung und Unverständnis in ihrem sozialen Umfeld.
    Das Phänomen der Verhexung wird nicht als Wahnsystem betrachtet; diesem Phänomen liegen im Wesentlichen zwei unterschiedliche psychologische Prozesse zugrunde. Der erste bezieht sich auf »spontane außersinnliche Wahrnehmung«. Diese kann auftreten, wenn sich die beiden interagierenden Personen nett finden, sich sympathisch sind. Durch diese Sympathie kann es zu übereinstimmenden Gedanken kommen (die beiden sind »auf einer Wellenlänge«). Der Fehler liegt darin, dass der Heiler diese spontan auftretenden Ereignisse auf sein eigenes Können zurückführt – er tut so, als wüsste er, was der andere denkt.
    Der zweite Prozess liegt in der Verselbstständigung des ersten. Es entsteht eine Art Abziehbild, eine »psychische Kopie« des Heilers, man spricht auch vom »psychischen Parasiten«. Dieser präsentiert sich dem Betroffenen, fordert seine Aufmerksamkeit und raubt diesem die Energie. Das ist im Prinzip vergleichbar mit dem Zustand des Verliebtseins: Man legt Wunschvorstellungen in die geliebte Person. Bei der Verhexung kann die betroffene Person das mentale Bild vom Heiler und diesen selbst nicht mehr auseinanderhalten. Zu Anfang tritt dieser »psychische Parasit« mit positiven Eigenschaften auf, was dazu führt, dass Betroffene nicht direkt »reagieren«. Im weiteren Verlauf kehrt sich dieser Prozess dann allerdings um, und es erscheinen extrem negative Charakterzüge. Der Betroffene hat den Eindruck, ständig in telepathischem Kontakt mit dem Heiler zu stehen. Es folgen in der Regel starke psychosomatische Beschwerden.
    Man kann diese Problematik mit einem Lehrer vergleichen, der mit seiner Klasse nicht zurechtkommt. Die Schüler tanzen ihm sprichwörtlich auf der Nase herum, er kann sich nicht durchsetzen. Im Prinzip hat er ein Autoritätsproblem. Wenn er sich nicht anders zu helfen weiß, kann er in einer unruhigen Stunde den Rektor holen und hat damit wahrscheinlich kurze Zeit Ruhe. Doch wenn der Rektor samt seiner Autorität wieder weg ist, fängt der Zirkus von vorne an, oft noch schlimmer als zuvor. Ähnlich ergeht es Menschen, die unter einem Verhexungssyndrom leiden und daraufhin einen Magier aufsuchen, der mit Hilfe von Gegenmagie die Beschwerden »wegzaubern« soll. Dieser kann jedoch nicht viel helfen, da damit das eigentliche Problem nicht gelöst ist, nämlich dass der Betroffene seine Autorität abgegeben hat und vom psychischen »Parasiten« gequält wird. Viele laufen dann von Magier zu Magier, dann zur Polizei und landen nicht selten in der Psychiatrie, wo man ihnen auch nicht helfen kann.
    Wenn es nicht gelingt, diesen »Teufelskreis« therapeutisch zu durchbrechen, erfolgt eine scheinbare Rückkehr zur »Normalität«. Alle Versuche, die Situation durch Polizeieinsatz, Gespräche, psychologische Intervention oder medikamentöse Behandlung zu verbessern, sind zwar gescheitert, aber die Fronten stehen für die Betroffenen nun fest; es gibt eine klare, eindeutige Zuordnung von Täter und Opfer, die allerdings unterschiedlich ausfällt, je nach Beschreibungsebene: Für die »Verhexten« ist die »Hexe« oder der »Magier« der Täter, sie selbst sind das Opfer. Die Symptome der Verhexung sind mehr oder weniger ständig zu spüren. Die Betroffenen ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück oder bleiben in psychiatrischem Gewahrsam. Für die Umgebung ist der »Verhexte« psychisch krank und muss daher weitgehend aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden.
    Wie gesagt: Ziel ist die Rückkehr zur »Normalität«. Sie kann in der bewussten Leugnung, dem Vergessen oder Verdrängen der Ausnahmesituation »Verhexung«, aber auch in der Erschaffung einer subkulturellen »Antiwelt« bestehen, und das kann man an den Angeboten des Okkult- und Esoterikmarktes leicht ablesen, wo Verhexung zum Alltag gehört, ohne dass adäquate Mittel zur Verfügung stünden, den Betroffenen wirklich zu helfen. Diese haben von den Angeboten meist

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