Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
Vom Netzwerk:
festgestellt, dass einige Zitate mit schwarzer Tinte dick unterstrichen sind. Und dann ist mir noch etwas aufgefallen: In diesen Zitaten sind einzelne Buchstaben zusätzlich mit einem kleinen Punkt markiert, einem Zeichen, das ein flüchtiger Leser übersieht. Ich habe die Buchstaben hintereinander notiert, um zu sehen, ob sie einen Sinn ergeben. Als ich damit zu Ende war, hatte ich eine schöne Überraschung.
Ich schreibe dir die Sätze auf, damit du das Spiel nachvollziehen kannst. Man muss kein Genie sein, um zu bemerken, dass es in allen Zitaten um eine unglückliche Liebe geht, und einige enthalten offensichtlich eine Botschaft. Die unterstrichenen Buchstaben entsprechen den Buchstaben, die im Buch mit einem schwarzen Punkt versehen sind.
»Von diesem Moment an verschwanden alle F rauen, die er bis dat o kennenge l ernt hatte, aus seinem Gedächtnis.« (S. 86)
»Er begriff, dass er ohne sie bis ans Ende seiner Ta g e ein unglücklich e r Mann sein würde.« (S. 92)
»Meine Liebe, frage m ich, wie weit du m i ch begleiten kannst. Was fü r einen Sinn hat ein unglückliches Leben?« (S. 151)
»Alle haben m i ch angesehen, nur das ei n zige Wesen nicht, nach d essen völliger Aufmerksamke i t ich gestrebt habe. M e ine arme Liebe erhält keinen Lohn.« (S. 162)
»Das gan z e flüchtige Leben verläuft nicht von oben nach u nten wie bei einer Sanduhr. Das Sand k orn, das einmal u nten liegt, kommt nie wieder hoch.« (S. 167)
»Nu n stach die Ei f ersucht mit ihren spi t zen Nadeln in sein zerstörtes Herz.« (S. 230)

Wenn man die Buchstaben hintereinander schreibt, entsteht folgender Satz: f-o-l-g-e-m-i-r-i-n-d-i-e-z-u-k-u-n-f-t. Also: Folge mir in die Zukunft.
Was hältst du davon? Wer ist deiner Meinung nach die Adressatin dieser Botschaft? Und wer ist der Absender? Der umsichtige Mann auf dem Porträt, von dem ich dir gerade berichtet habe?
Aber da ist noch etwas an den Seitenzahlen: Manche sind ebenfalls mit schwarzen Punkten markiert. Bist du bereit?

9 2  – 1 51  – 16 2  – 16 7  – 2 30
Also: 2–51–2–7–30. Das ergibt doch einen Sinn, findest du nicht? Selbst wenn du das alles schon wieder für verrückt hältst, aber ich verstehe die Ziffern so: 25.12., 7.30.
Was ist am 25. Dezember um 7.30 Uhr passiert? Und vor allem, in welchem Jahr? Diese Frage ist wirklich schwierig.
In der Dose mit den Zeitungsausschnitten habe ich jedoch eine mögliche Antwort gefunden. Das Warenhaus Grandes Almacenes El Siglo brannte am Weihnachtsfeiertag 1932 aus. Das Feuer brach gegen zehn Uhr morgens aus, so steht es zumindest in dem Artikel. Octavio Conde war anscheinend nicht da, er hatte seinen Brüdern all seine geschäftlichen Verpflichtungen übertragen, um sich in Amerika niederzulassen und dort eigene Geschäfte aufzunehmen.
Und wenn die Zurückweisung eines Menschen, der für Octavio Conde sehr wichtig war, ihn veranlasst hatte zu fliehen?
Ich stelle mir schon einige Zeit eine ganz andere Frage: Warum hat eigentlich niemals jemand gefragt, wo sich Teresa aufhält oder was aus ihr geworden ist? Es ist doch merkwürdig, dass niemand sie gesucht hat. Oder hat es vielleicht doch jemand getan?
Geht mir vielleicht nur gerade die Phantasie durch?
Finde ich etwas, weil ich etwas suche, oder finde ich etwas, weil ich etwas finden will?

Ach, ich hab dich lieb,

Vio

XV
    Am 17. Juni 1899 war der junge Francisco Canals Ambrós zum ersten Mal zu einem der Mittwochstreffen im Haus der Señora Lax eingeladen.
    Die üblichen Gäste kamen wie immer pünktlich um halb vier, und das Personal geleitete sie ins obere Stockwerk, wo in der Bibliothek das Sofa eigens durch den ovalen Tisch mit der schwarzen Tischdecke ersetzt worden war. An dem Tisch hatten alle ihre Stammplätze, die sie unverzüglich einnahmen, wie Geschäftsleute, die eine dringliche Angelegenheit besprechen müssen. Während man noch auf die Nachzügler wartete, wurden Tee und Gebäck gereicht. Die Hausmädchen wussten: Sobald der letzte Gast eingetroffen war, würden die Türen geschlossen und um nichts in der Welt vor dem Ablauf vieler Stunden wieder geöffnet werden. Alles, was den üblichen Ablauf im Haus mittwochs zwischen halb vier Uhr nachmittags und sieben Uhr abends störte, musste bis dahin warten. Die Señora zeigte sich darin so unerbittlich, dass die Dienstmädchen nicht einmal wie bei anderen Anlässen durchs Schlüsselloch zu lugen wagten. Wenn danach die Gäste mit ernstem Gesicht die Treppe hinuntergingen, hing in der Bibliothek ein

Weitere Kostenlose Bücher