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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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Paris auf dem Parkett des Théatre de l’Odéon verstreuen.« Einen Grabstein hielt er für eine unnötige Ausgabe. Ohnehin hätten wir Großmutters Namen gar nicht anbringen lassen können, ohne das Stillschweigeabkommen mit der Generalitat zu verletzen. Ich habe ein halbes Dutzend rote Rosen besorgt und an dem anonymen Grab abgelegt.
Als ich wegging, hatte ich das Gefühl, dass Teresa mir nachschaut.
Aber jetzt wollte ich dir noch ausführlich von den Sachen berichten, die wir in Violetas Zimmer gefunden haben. In meiner Wohnung sieht es inzwischen wie in einem Antiquitätengeschäft aus! Ihre Kleider sind verstaubt und verschlissen, aber sie sind wunderschön. Sie sehen gar nicht wie die Garderobe einer Sechzehnjährigen aus. Der Kleidergröße nach zu urteilen muss sie sehr schmal gewesen sein. Die Schuhe sehen wie Puppenschuhe aus, ihre Füße waren wohl noch kleiner als meine!
Ich habe dir ja schon berichtet, dass ich auf der Kommode ein Buch gefunden habe, Spirita , eine dieser wunderschönen Ausgaben aus dem 19. Jahrhundert, bei denen die Namen der Autoren hispanisiert wurden – also in dem Fall Teófilo Gautier. Es ist doch eine fürchterliche Unsitte, von Guillermo Shakespeare oder Carlos Dickens zu reden, oder? Das Buch beginnt mit einem unsäglichen Vorwort, in dem der Übersetzer den Leser davor warnt, sich auf das unmoralische Ideengut des Romans einzulassen. Für heutige Leser ist das eine etwas manierierte Gespenstergeschichte, in der ein Junggeselle von Welt sich in die transparente Erscheinung verliebt, die sich im Salon seines Hauses herumtreibt. Er ist so besessen von ihr, dass es ihm gelingt, mit ihr zu gehen. Also, der Mann stirbt, aber sein Tod ist so romantisch und so stilvoll, dass man fast Lust bekommt, ihm nachzueifern. Daher rührt wohl auch die Warnung im Vorwort, wo der Übersetzer überdies noch meint, der Welt enthüllen zu müssen, dass Menschen, die an Gespenster glauben, der Gesellschaft schaden.
Ich finde die ganze Sache interessant, denn Gautiers Spirita gehört in eine Gedankenströmung, die in Europa und in den Vereinigten Staaten in der Mitte des 19. Jahrhunderts recht verbreitet war und die auch in Spanien ein Echo fand, nämlich der Spiritismus. Du darfst dabei aber nicht an Medien denken, die mittels Ouija mit einem Geistwesen in Kontakt treten. Die Spiritisten jener Zeit waren gebildete Menschen, die einem Glauben anhingen, der den Gott der Katholiken nicht ausschloss, sondern eher neu erfand. Außerdem glaubten sie gleichermaßen an die Gedankenfreiheit und die Gleichheit aller Menschen sowie an die Fähigkeit der Seele, sich über körperliche Grenzen hinwegzusetzen – sogar über die Linie, die Leben und Tod voneinander trennt. Sie forderten Religionsfreiheit und das allgemeine Wahlrecht und fochten so manchen Kampf mit dem Staat aus. Im Großen und Ganzen Leute mit modernen Ansichten, die ihre Zeitgenossen schockierten.
Sie fanden in Vereinigungen zusammen – oft waren das Geheimgesellschaften – und organisierten alle möglichen Veranstaltungen mit einer Mischung von Musik oder Gedichten, die sie zur Heilung einsetzten, der Anrufung von Geistern und Kontaktaufnahmen mit dem Jenseits. Sie hofften, die Gesellschaft eines Tages aufgrund der Kraft ihrer Ideen verändern zu können. Für den Rest der Menschheit waren sie natürlich nur ein Haufen abergläubischer Betrüger. Schließlich hat die Welt sie besiegt. Schade.
Du weißt ja, dass meine Urgroßmutter einer dieser Vereinigungen angehörte. Und jetzt wissen wir, dass Teresa ihrem Vorbild gefolgt ist. Deshalb überlege ich, ob dieser Gautier-Roman gar nicht Violeta gehört hat, es sei denn, sie hätte sich auch mit dieser Welt beschäftigt. Außerdem gibt es da noch dieses Exlibris. Ich weiß gar nicht, warum es mir nicht gleich aufgefallen ist. Die Symbolik darauf ist mehr als offensichtlich: zumindest für eine Amadeo-Lax-Expertin. Es zeigt ein Buch, einen Wasserkrug, einen Lorbeerkranz sowie eine Waage, also: den Fleiß, die Klarsicht, die Weisheit und die Ehrlichkeit. Genau die Symbole, die auf einem von Großvaters weniger bekannten Werken zu sehen sind, das derzeit in meiner Ausstellung der Öffentlichkeit zum ersten Mal gezeigt wird: das Porträt von Octavio Conde Gómez del Olmo. Denn das bedeuten die Buchstaben O. C. G. O. in den Zeichnungen des Exlibris. Das Buch gehörte gewiss Octavio Conde.
Ich habe die fast dreihundert Seiten gestern bis tief in die Nacht gelesen. Dabei habe ich

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