Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
Vom Netzwerk:
Pläne der spanischen Regierung, die Kolonialtruppen in Marokko durch Reservisten zu verstärken, um die Angriffe der Rifkabylen gegen die private spanische Bergwerkgesellschaft bei Melilla besser abwehren zu können, für unsinnig und ungerecht. Aber seine Bequemlichkeit hinderte ihn daran, Partei zu ergreifen. Idealistische Kämpfe waren Sache seiner Frau, die ihre nonkonformistische Seele unter ihrem bezaubernden Korsett verbarg. Doch dann kam der Generalstreik in Barcelona, zu dem die unzufriedenen Arbeiter aufgerufen hatten. Plötzlich wurden überall in den Straßen Barrikaden errichtet, Geschäfte geschlossen, die Aufständischen waren in Kampfbereitschaft, und ein Teil der in Barcelona stationierten Streitkräfte solidarisierte sich mit ihnen. Als die ersten Kirchen, Klöster und Ordensschulen in Flammen aufgingen, befürchtete Rodolfo, dass alles zusammenbrechen würde. Ihm schien dieser Aufruhr eher in einen Roman aus dem 19. Jahrhundert zu passen als in den Alltag von vernunftbegabten und modernen Menschen von heute.
    Doch die Vernunft schien nicht gerade die Stärke dieser Revolutionäre zu sein, die sich selbst als friedliebend bezeichneten, aber nur vom Heer zur Ruhe gebracht werden konnten. Erst mehrere Stunden später begriff Rodolfo ihre Beweggründe, aber keineswegs ihr Vorgehen. Er war davon überzeugt, dass man solche Dinge besser am Tisch als in der Feuerlinie klärte. Schließlich kann man über alles verhandeln. Er selbst hatte das bewiesen, als er in seinen eigenen Fabriken schon einmal die Beteiligung an einem Streik verhinderte, indem er mit seinen Arbeitern bessere Arbeitsbedingungen aushandelte. Natürlich war Ministerpräsident Maura mit seiner Regierung schneller dabei, die Artillerie zu schicken als Argumente zu suchen. Und was die Frage der Reservisten betraf, da existierten einfach zu viele verdeckte Interessen, um sie auf einem Verhandlungstisch offenzulegen.
    Doch diesmal war in den Lax-Fabriken beim Generalstreik am 26. Juli, wie in den übrigen Fabriken der Stadt, niemand zur Arbeit erschienen. Die Streikposten der Solidaridad Obrera hatten sich kaum anstrengen müssen, um die Arbeitsniederlegung durchsetzen zu müssen: Der Unmut war weit verbreitet und griff in einigen Fällen sogar auf die Arbeitgeber über.
    Am Nachmittag erschien Trescents bei Rodolfo Lax und wollte wissen, welche Maßnahmen er gegen die Streikenden ergreifen sollte.
    »Gar nichts. Die haben schon genug am Hals.«
    »Was heißt gar nichts? Bitte, Señor Lax, überlegen Sie es sich gut. Wenn Sie denen nicht zeigen, wer das Heft in der Hand hat, wird man Sie noch aus Ihrem eigenen Haus werfen.«
    »Ich habe denen schon klargemacht, wer das Sagen hat, Trescents. Überlegen Sie doch, ich gehöre zu den Glücklichen, die ihre eigenen Söhne freikaufen können, damit sie nicht in den Krieg ziehen müssen. Die Arbeiter hingegen können nichts ausrichten. Und die meisten haben auch noch Frau und Kinder. Regen Sie sich nicht auf, Trescents. Versetzen Sie sich doch einmal in deren Lage. Und lassen Sie mich mit ihnen reden«, beschwichtigte ihn Lax in der festen Überzeugung, dass zwischen ihm und seinen Arbeitern gegenseitiger Respekt bestand.
    »Seien sie nicht so blauäugig, Don Rodolfo. Bei Ihnen arbeiten viele Leute. Sie kennen nicht mehr alle, und einige sind nicht ganz sauber. Es gibt genug, die diese Mode der Arbeitskämpfe sehr ernst nehmen. Sie sprechen sogar von Gewerkschaften! Dabei sind die Fabriken doch die besten Arbeitervereinigungen, oder?«
    »Lassen Sie sie, Trescents«, besänftigte ihn Rodolfo, von dem man nicht wusste, ob er die Gewerkschaftsbewegung tatsächlich guthieß oder ob er im Grunde genommen am Erfolg der Linken zweifelte. »Sollen sie doch ihre Versammlungen organisieren, was ist denn schon dabei? Sie würden doch an deren Stelle das Gleiche tun, nicht wahr?«
    Doch der gerissene Jurist Tomás Trescents gehörte zu diesen reaktionären jungen Leuten, deren Leben durch das kanonische Recht und die christliche Liturgie geregelt war. Allein schon der Vergleich mit dem Pöbel brachte ihn zum Platzen. Lax blieb unerschütterlich. Er nahm die Vorgänge erst ernst, als sein Freund Emilio de la Cuadra restlos aufgelöst bei der Tischrunde im Hotel Colón auftauchte und berichtete, dass er zur falschen Zeit einen Gang durch die Stadt gemacht und festgestellt habe, in welchem Zustand sich alles befand. Neben vielen anderen Ungeheuerlichkeiten hatte er am Haupteingang einer der Lax-Fabriken ein

Weitere Kostenlose Bücher