Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
Neuigkeiten!
1. Morgen kommen Fiorella und Silvana an. 2. Das MNAC hält eine Pressekonferenz ab, auf der das Vermächtnis vorgestellt wird.
Wie nicht anders zu erwarten, sind alle von der Qualität der Bilder beeindruckt und von der offensichtlichen Bedeutung innerhalb Großvaters Gesamtwerkes. Die Direktorin hat einen sehr positiven Bericht über die Qualität der Gemälde verfasst und ihren Erwerb durch das Kuratorium befürwortet, wofür die im Testament gestellten Bedingungen erfüllt werden müssen. Ansonsten war alles andere Sache der Anwälte und der Generalitat, die auf einmal ihre alte Entscheidung umgestoßen und beschlossen hat, in dem Stadtpalais der Familie eine Dependance des MNAC einzurichten. Also hat Eulalia Montull mit einem Federstrich erreicht, wofür der gute alte Arcadio und ich selbst unser Leben lang gekämpft haben.
Ich hoffe, ich habe diesmal genügend Zeit, um mit Fiorella über ihre großzügige Mutter zu sprechen. Es gibt viele Dinge bei der Sache, die einfach nicht zusammenpassen. Und meine Kenntnisse der Familiengeschichte sind so spärlich, dass ich kaum etwas dazu beitragen kann, um das Rätsel zu lösen.
Gestern habe ich auch Sargento Paredes wiedergesehen. Er hat mich angerufen, um mir zu berichten, dass Teresas Sachen sich noch im Labor befinden und dass ich mich darum kümmern sollte. Ich habe mich mit ihm im Café Zurich verabredet. Dort hat er mir dann eine Plastiktüte mit einem Paar zerschlissener Pantoffeln, zwei Stofffetzen mit Haken und Ösen, eine mit dem Namen Dickens gravierte Plakette sowie die Halskette mit dem Goldring übergeben. Er hat mir berichtet, dass sie die Katze entsorgt haben.
Ich habe bereits im Café die Halskette mit dem Ring umgelegt und trage sie immer noch. Jedes Mal, wenn ich den eingravierten Namen Francisco Canals Ambrós betrachte, frage ich mich, welche Bedeutung das Schmuckstück für meine Großmutter gehabt hat. Hat sie die Kette nur zufälligerweise bei ihrem Tod getragen? Oder hat dieses Stück Gold vielleicht sogar etwas mit ihrer Ermordung zu tun? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mann des Jahrgangs 1889 es witzig findet, wenn seine Ehefrau den Namen eines anderen Mannes mit sich herumträgt. Ich stelle mir einen Haufen Fragen und resigniere wegen der fehlenden Antworten. Zwar recherchiere ich viel über Teresa in den Zeitungsarchiven, aber es gibt einen Teil der Wahrheit, den wir niemals erfahren werden, den vielleicht nie jemand erfahren wird.
Der Polizist hat mich auch nach Papa gefragt. Ich habe ihm erklärt, dass wir am Abend zuvor unseren Abschied mit einem Abendessen gefeiert haben. Modesto ist heute Morgen in der Früh mit Amélie nach Avignon zurückgeflogen.
»Ihr Vater ist vielleicht eine Type«, meinte der Sargento.
Für unser Abendessen hatten wir uns auf Wunsch von Papa im Set Portes getroffen. Sie sind so spät gekommen, dass ich schon kurz davor war, wieder zu gehen. Sie sagten, sie hätten den Nachmittag in den Boutiquen am Paseo de Gracia verbracht und dort ein Vermögen ausgegeben. Amélie trug am Handgelenk eine funkelnagelneue Cartier-Uhr, und ich glaube kaum, dass sie die von ihrem Gehalt bezahlt hat. Papa sah hinreißend aus. Nicht wie üblich, sondern noch besser: Er war frisch manikürt, sein Schnurrbart frisch gefärbt, er duftete nach Rasierlotion und hatte sogar sein Haar gegelt! Ich habe ihn schon lange nicht mehr so herausgeputzt und enthusiastisch erlebt. Es liegt wohl an Barcelona, er meint, die Stadt stimuliere ihn. Mitten beim Essen und ohne jegliche Vorwarnung hat er mich plötzlich gefragt: »Violín, bist du glücklich?«
Ich habe »Ja« gesagt. »Ja, ich bin glücklich, so, wie alle anderen Menschen auch, etwas gemäßigt, denn schließlich kann niemand das Glück tatsächlich messen.«
»So ein Blödsinn!«, hat er dann gesagt. »Das Glück ist genauso messbar wie der Kreditrahmen einer Kreditkarte. Weißt du, in welchem Land in Europa die Leute am glücklichsten sind? In den nordischen Ländern. Oder das behaupten sie zumindest. Das ist doch erstaunlich, oder? Und in Bulgarien sind die Leute am unglücklichsten. Es gibt verschiedene Theorien, aber ich glaube, der Eurovision Song Contest ist an allem schuld. Ist dir das noch nicht aufgefallen? Die armen Bulgaren geben ihren Nachbarländern immer viele Punkte, aber sie selbst bekommen nie Stimmen von anderen Ländern. Wir Spanier hingegen sind so lala, unser Glück liegt also nur ein wenig über dem Durchschnitt. Dabei ist das gar nicht einmal so
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