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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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übel, denn bei dem Eurovision Song Contest sind wir ja auch nicht das, was man heutzutage einen Kracher nennt. Ach so, und Menschen, die mit einem Partner zusammenleben, sind auch glücklicher als Alleinstehende. Da soll noch mal einer sagen, das eheliche Zusammenleben führe zu Konflikten.«
Bei dem letzten Satz hat er schelmisch zu Amélie hinübergeblickt. Sie hat gelächelt, aber eher wie eine nachsichtige Mutter als wie eine Assistentin, und weitergegessen. Vielleicht hat sie dabei gerade an ihre neue Cartier-Uhr gedacht.
Beim Abendessen ließ Modesto dann ein paar von diesen Geschichten los, mit denen er so gerne Gespräche bereichert. Er hat gesagt, dass er vorhabe, die Wohnung in Avignon zu verkaufen und nach Barcelona zu ziehen. Er hat mich nach Avignon eingeladen, damit ich mir die Sachen aussuche, die ich haben möchte. Denn, so seine Worte: »Ich habe von überall her Krempel, den ich gar nicht brauche.« Ich habe ihn gefragt, was denn mit der Uni ist, mit seinen Vorträgen, mit seinen Abendessen mit den alten Professoren, die genauso emeritiert sind wie er, mit dem Brecht-Theaterfestival … Also, alles, was in den letzten Jahren sein Leben ausgemacht hat. Stell dir vor, was seine Antwort gewesen ist!
»Ach weißt du, plötzlich interessiert mich das alles überhaupt nicht mehr.«
Dann habe ich gewagt, auf meine Nachforschungen über Teresa zu sprechen zu kommen. Ich habe ihm erklärt, dass ich dabei nur wenig Erfolg habe und die Zeitungsausschnitte in der Keksdose das Wertvollste sind, was ich bislang gefunden habe. Ich habe ihm berichtet, dass Teresa Brusés Mitglied in einer dieser Spiritistengesellschaften war, die Ende des 19. Jahrhunderts entstanden sind und in der Zeit so einen Aufschwung erlebten. Aber als Teresa begann, sich dafür zu interessieren, waren es schwere Zeiten für die Bewegung, und fast alle spotteten nur darüber.
»Tatsächlich?«, fragte Papa und zog eine Augenbraue hoch. »Na denn …«
»In Wirklichkeit befand sich der Spiritismus zu der Zeit im Niedergang. Während des Bürgerkriegs war er verboten, und als Ende der siebziger Jahre die Vereinigungen wieder entstanden, da wirkten die Ideen, die damals so fortschrittlich waren, altmodisch und überholt.«
Ich habe ihm erklärt, dass die europäischen Spiritisten in ihren besten Zeiten großen Einfluss auf die Gesellschaft hatten und dass bekannte Größen wie Arthur Conan Doyle oder Victor Hugo ihre Mitglieder gewesen sind. Damit habe ich sein Interesse wecken können, das ist mir schon fast wie ein Wunder vorgekommen.
»Weißt du darüber noch mehr?«, hat er mich da gefragt.
Ich habe versprochen, ihm die Zeitungsausschnitte zu kopieren und noch ein paar Dinge mehr. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Spiritismus oder Teresa sein Interesse geweckt hat, aber immerhin. Er hat mir sogar seine Mailadresse gegeben.
»Amélie hat mir beigebracht, mit dem Internet umzugehen. Ich entdecke gerade eine neue Welt!«
Da habe ich nur noch gedacht, dass eine Assistentin, die es schafft, einen Dinosaurier wie Papa in die Welt der neuen Technologien einzuführen, sehr wohl eine Markenuhr verdient hat.
Aber das war noch nicht alles. Du wirst es nicht glauben. Plötzlich platzte er heraus:
»Du weißt ja, dass ich nicht gerne über meinen Vater spreche, Violín. Er ist für mich immer ein Fremder gewesen. Ich hege nicht einmal Groll gegen ihn. Er wird schon seine Gründe gehabt haben, so zu leben, wie er gelebt hat, aber die interessieren mich wirklich überhaupt nicht. Falls dir das irgendwie weiterhelfen sollte: Ich könnte mir sogar vorstellen, dass er seine Frau umgebracht hat. Es würde mich auch nicht wundern, wenn herauskäme, dass er ein Kriegsverbrecher gewesen ist oder einer von diesen Naziärzten, die diese furchtbaren Experimente an Menschen durchgeführt haben. Aber eigentlich war er dafür viel zu egozentrisch. Ich habe für die arme Teresa nur Mitleid. Sie ist in schlechte Hände geraten, und es waren schlechte Zeiten – wer weiß, was wirklich passiert ist. Ich denke, deine Recherchen ehren ihr Andenken und stellen gewissermaßen eine Wiedergutmachung dar. Ich hätte zu gerne selbst nachgeforscht, aber du musst verstehen, dass mir nicht mehr viel Zeit bleibt, um mich auch noch um so traurige Dinge zu kümmern. Die Zeit, die ich noch habe, werde ich so nordisch wie möglich sein, wenn du nichts dagegen hast. Alles Weitere übergebe ich wie immer in fleißige Hände, die noch dazu viel schöner sind, und zwar in

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