Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
Vom Netzwerk:
Dienste wieder in Anspruch nehme.«
    Aus dem Wageninneren zwitscherte eine fröhliche Stimme: »Ach, mein Täuberich, bei der Gelegenheit werde ich dir noch etwas ganz anderes rasieren.«
    Julián stand geduldig neben der Wagentür und wartete ab, dass dieses groteske Schauspiel ein Ende nahm. Amadeo trat zu ihm und flüsterte ihm etwas zu. Juan konnte es nicht verstehen, aber das war auch nicht nötig. Es war die Anweisung, die Frau dorthin zu bringen, wo er sie aufgelesen hatte. Schließlich soll man die Dinge so hinterlassen, wie man sie vorfinden möchte.
    Amadeo ging nicht die Treppe hoch. Der große Salon war voller Gäste, die auf seine Ankunft warteten. Er bat Concha, seinen Cut mit Weste herauszusuchen, damit er sich in ihrem Zimmer umkleiden könne. Als er herauskam, war seine Erscheinung perfekt: Seine ehemalige Amme hatte für ihn eine Gardenie abgeschnitten und ihm ins Knopfloch seines Cut gesteckt. Jedes Detail war bedacht und alles war an seinem Platz: die goldene Taschenuhr, das Taschentuch, der Zylinder, der seidene Schal …
    »Lass deine Mutter nicht länger leiden, Amadeo. Wenn du noch eine Minute länger brauchst, fällt sie in Ohnmacht«, warnte ihn Concha.
    Der Bräutigam ging ohne Eile die Treppe hoch. Nun war er bereit, die Rolle des charmanten Gastgebers zu spielen, die alle von ihm erwarteten.
    »Herrje, Amadeo, Gott sei Dank! Ich habe schon befürchtet, dass du geflohen bist. Dürfte man erfahren, wo du so lange gesteckt hast? Ich hatte schon Angst, dass ich den Toast ausbringen müsste!«, schalt Maria del Roser ihren erwachsenen, neununddreißigjährigen Sohn, indem sie vor ihren Gästen wie noch nie zuvor in ihrem Leben die Nerven verlor.
    Amadeo rettete die Situation. Er zog seinen Handschuh aus, griff nach einem der Gläser mit dem perlenden Gold und beruhigte seine Mutter mit den Worten: »Mutter, ich bin noch in der Elf-Uhr-Messe gewesen, beim Abendmahl. Ich wollte mein neues Lebens frei von den Sünden der Vergangenheit beginnen.«
    Bei diesem Satz suchten Amadeos Augen den Blick seines Bruders Juan. Aber dieser war bereits in den Patio gegangen, um dort ein wenig Luft zu schnappen.
    Dann erhob Amadeo sein Glas, und das allgemeine Gläserklirren beendete symbolisch sein Junggesellenleben. Fünf Minuten später brachen sie im Konvoi zur Kathedrale auf.

    Sechs Stunden später erwartete das Personal ungeduldig die Ankunft der neuen Señora. Aber erst am Abend nach acht Uhr konnte man die Wagen des Hochzeitszugs ankommen hören.
    Als Erste traf Doña Maria del Roser ein. Diesmal war sie in Begleitung eines Onkels zweiten Grades, dessen Namen sie immer vergaß. Für sie war er stets einfach Leonardo oder Norberto, und den Mann schien das nicht weiter zu stören. Ihre Füße waren geschwollen, aber sie strahlte dieses erschöpfte Glücksgefühl aus, das einen am Ende von solch unvergesslichen Tagen ereilt. Hinter ihr kam zunächst Concha, stolz wie eine Gänsemutter, die ihr schwerfälligstes Küken dabei beobachtet hat, dass es doch noch flügge wird. Als Letzte traf das frischvermählte Ehepaar ein. Der Bräutigam rührte in seiner Selbstbeherrschung und Zurückhaltung beim Vorübergehen die Dienstmädchen zu Tränen. Die Braut brachte mit ihrer strahlenden Schönheit alle in ihrer Nähe zum Verstummen.
    »Hier habt ihr die neue Hausherrin vor euch«, verkündete Doña Maria del Roser, die keine große Freundin von langen Reden war, ihren Angestellten. »Heute übergebe ich meine Verantwortung an sie.«
    Einer nach dem anderen wurden nun alle Dienstboten der neuen Señora Lax vorgestellt.
    »Julián Montull, unser Fahrer. Ein würdiger Nachfolger seines Vaters Felipe, der uns bereits treue Dienste geleistet hat.«
    »Señora«, der Mann verneigte sich vor der neuen Hausherrin.
    »Vicenta Serrano. Ihre Hände sind Gold wert. Sie ist unsere Köchin.«
    »Herzlich willkommen, Señora Lax.«
    »Carmela und Aurora, unsere Kammerfrauen«.
    Die beiden knicksten stumm, bevor der Nächste an der Reihe war.
    »Higinio ist für die Reparaturen im Haus zuständig. Also für alles.«
    Higinio streckte äußerst förmlich seine Hand aus. Teresa drückte sie etwas schüchtern.
    »Conchita kennst du ja bereits. Sie ist immer für dich da, egal ob etwas kaputt geht oder du ein Kleid ausbessern lassen musst. Sie ist die Amme deines Ehemannes gewesen, später von allen Geschwistern die Kinderfrau, na, und nun auch von mir. Und seit Eutimia nicht mehr da ist, auch die Haushälterin … Manchmal habe

Weitere Kostenlose Bücher