Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
als sie die keineswegs kompromittierende Richtung des zunächst für sie rätselhaften Besuchs erkannte. Sie richtete sich auf ihrem Stuhl auf und legte ein wenig von der Steifheit ab, die sie bis zu diesem Moment bewahrt hatte. Sie wagte es sogar zu nicken und scheu zu lächeln.
Sie hatte Don Eduardo Conde niemals persönlich kennengelernt, doch man sprach oft in der Familie über dessen Elan und Intelligenz. Leider war der Mitbegründer dieses Imperiums, das als Hemdengeschäft begonnen hatte und schließlich zu einem der ersten großen Warenhäuser in Spanien wurde, am 27. März 1914 gestorben. Doch seine Spur ließ sich nicht so schnell auslöschen, wie damals eine Zeitung geschrieben hatte.
Mit ihm ist ein kluger, ehrenhafter, karitativer und guter Mensch von uns gegangen, der nur mit seiner ausdauernden Arbeit und Kraft, die er von seinen Vorfahren erbte, es verstanden hat, sein Unternehmen zu vergrößern und seinem makellosen Familiennamen den Hauch von Grandezza hinzuzufügen. Sein Tod hinterlässt eine große Lücke, die nicht zu füllen ist.
»Es wird einige Zeit in Anspruch nehmen, alles zu sortieren«, fuhr der Gast fort. »Es gibt sehr viel Material: Briefe, Artikel, sogar ein kleines Tagebuch, in dem er die Entdeckungen notiert hat, die ihn am meisten beeindruckt haben. Einige davon haben übrigens in diesem Haus, in der Bibliothek, stattgefunden, und zwar bei den Treffen unter der Schirmherrschaft von Doña Maria del Roser, an denen die Crème de la Crème des Spiritismus in Katalonien teilgenommen hat. Ich muss zugeben, dass mich diese Aktivitäten meines Vaters niemals interessiert haben, bis ich eben auf diese Papiere gestoßen bin. Aber nachdem ich seine Aufzeichnungen gelesen habe, und – das möchte ich Ihnen gegenüber auch gar nicht verhehlen – von der Leere angetrieben, die sein Fehlen bei uns immer noch verursacht, habe ich beschlossen, etwas daraus zu machen. Ich habe mich selbst gefragt, was ich ausrichten kann, da habe ich plötzlich an Sie gedacht und mir gesagt: ›Ach, wie dumm bin ich nur. Teresa ist doch eine würdige Nachfolgerin des Werkes unserer Vorfahren. Sie wird mir bestimmt weiterhelfen können.‹«
Teresa wurde wieder ein wenig rot.
»Nachfolgerin? Das ist zu viel der Ehre. Ich habe gerade erst angefangen, mich damit zu befassen«, gestand sie. »Mein Beitrag für die Sache ist bislang sehr gering. Ich muss noch viel lernen. Ich weiß nicht, inwieweit ich Ihnen weiterhelfen kann. In letzter Zeit ist die Vereinigung auf unendlich viele Widerstände gestoßen. Wir haben nicht einmal einen Ort, an dem wir unsere Versammlungen abhalten können. Wir würden uns zu gerne wie früher hier in der Bibliothek treffen, aber Amadeo würde das niemals zulassen.«
Octavios Augen leuchteten auf.
»Da haben wir doch schon die Antwort auf die Frage, die ich noch gar nicht gestellt habe. Ich wollte Sie gerade fragen, wie ich Ihre Aktivitäten unterstützen kann. Aber jetzt habe ich eine Idee. Sie können ab sofort Ihre Versammlungen in El Siglo abhalten. Wir haben einige sehr großzügige Räume, in denen wir kulturelle Veranstaltungen organisieren. Gerade heute wollte ich Ihrem Gatten eine Ausstellung vorschlagen. Und was Ihr Anliegen betrifft: Sie müssen mir nur sagen, an welchem Tag Sie die Treffen stattfinden lassen möchten, und Sie werden den Saal entsprechend vorbereitet und für Sie reserviert vorfinden. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie glücklich mich das alles macht!«
Teresa lächelte zum ersten Mal, seit sie an dem Tag aufgestanden war. Dabei strahlte ihr Gesicht in einer so vollendeten Schönheit, dass es nun an ihr war, Octavio zu verwirren.
»Sobald meine Mitstreiter davon erfahren, werden sie höchst erfreut sein«, fügte sie noch hinzu.
»Bitte richten Sie Ihren Gefährten aus, dass die Freude ganz bei mir liegt. Mein Vater hätte noch viel mehr für sie getan. Wann möchten Sie anfangen?«
»Ich denke, sehr bald! Wann müssen Sie das wissen?«
Wieder eine lässige Geste von Don Octavio.
»Teresa, es hat keine Eile. Für Sie steht mein Haus immer offen.«
Die Verwirrung machte die Gastgeberin sprachlos. Octavio genoss den Augenblick. Ihm fiel wieder ein, wie wenig Amadeo von seiner Verlobten in der Zeit vor der Hochzeit erzählt hatte. Ja, Teresa war eine wohlerzogene, schöne und wunderbar naive junge Frau, die Doña Maria del Roser sehr gut gefiel. Eine Frau, die einen bei allen Anlässen begleiten und die man sich sofort als die Mutter
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