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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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seiner Kinder vorstellen konnte. Bevor Octavio selbst die Braut kennenlernte, war es ihm niemals merkwürdig vorgekommen, dass sein Freund nicht leidenschaftlich von seiner zukünftigen Gattin schwärmte – schließlich hatte er das bislang noch bei keiner seiner Damenbekanntschaften getan. Aber nun saß er selbst keine zwei Schritte von Teresa entfernt, und während er ihre Reaktionen wahrnahm, die zudem durch ihre anmutigen Gesten und ein unaufdringliches Parfüm betont wurden, konnte er nicht nachvollziehen, warum sein Freund bei ihrer Beschreibung nicht mehr Begeisterung gezeigt hatte.
    Das letzte Kompliment öffnete einen Graben des Schweigens zwischen den beiden. Glücklicherweise kam ihnen das Wetter zu Hilfe. Ein plötzlicher Regen ergoss sich in den Patio. Teresa stand hastig auf.
    »Was ist los?«, fragte Octavio.
    »Meine Schwiegermutter ist zu den Ramblas gefahren, um sich die Bücherstände anzusehen.«
    »Ich fürchte, sie bekommt eher eine Buchstabensuppe geboten«, scherzte Octavio und schüttelte den Kopf. »Ich habe es ja gesagt, der April ist einfach nicht der geeignete Monat, um auf der Straße Bücher zu präsentieren. Man sollte den Tag des Buches wie früher am 7. Oktober begehen.«
    Don Octavio Conde war nicht nur ein kultivierter Mensch, sondern vor allem ein erfolgreicher Geschäftsmann. Und als solcher hatte er gegen die Entscheidung der Regierung Macià protestiert, den traditionellen Tag des Buches vom 7. Oktober auf den 23. April vorzuverlegen, damit dieser Tag mit dem Kirchenfest des katalanischen Nationalheiligen San Jordi, dem Heiligen Georg, zusammenfiel. Seiner Meinung nach hatten beide Dinge nichts miteinander zu tun. An San Jordi sollten traditionsgemäß Rosen verschenkt werden, und am 7. Oktober, wenn in ganz Spanien des Geburtstags von Miguel de Cervantes gedacht wurde, dem Verfasser des Don Quijote , sollten die Buchhändler ein einträgliches Geschäft machen. Dabei war Octavio selbstverständlich nicht entgangen, dass eine Hommage an Cervantes nicht gerade zu den Prioritäten der neuen Regierung der katalanischen Generalitat gehörte: In Ermangelung eines katalanischen Autors musste nun der Heilige Georg für den toten Schriftsteller herhalten. Zu einem Volksfest umgewandelt, und noch dazu ganz nach dem Geschmack der Republikaner mit diesem katalanistischen Hintergrund versehen, wurde der Feiertag zum ersten Mal im Jahr 1931 am 23. April begangen und erwies sich kommerziell als absoluter Reinfall.
    Am nächsten Tag übermittelten die Buchhändler dem Präsidenten einen Protestbrief, in dem sie eine Verlegung des Termins forderten, der in ihren Augen der alleinige Grund für den gewaltigen Rückgang der Verkaufszahlen am Tag des Buches war. Als Argument für das Festhalten am 7. Oktober führten sie an, dass dieser Termin am Monatsbeginn und somit näher am Zahltag der einfachen Bevölkerungsschichten lag, die von ihrem Lohn »in den letzten zehn Tagen eines Monats nicht ausreichend Geld übrig« hatten. Ihr Schreiben schloss mit den Worten: »Als wäre dies nicht genug, haben die jüngsten politischen Ereignisse und der Festtag von San Jordi, des Schutzpatrons von Katalonien, gestern das Interesse der Kunden abgelenkt, die nicht mit der gleichen Neugierde der letzten Jahre in die Buchhandlungen und zu den improvisierten Bücherkiosken gekommen sind. Dennoch müssen wir zugeben, dass das Zusammentreffen mit dem Patronatsfest unseres Schutzheiligen für das Straßenbild am Tag des Buches günstig gewesen ist.«
    Teresa runzelte die Stirn, während der Regenguss sich zu einem wahren Platzregen auswuchs.
    »Nichts ist da, wo es hingehört«, murmelte Octavio. »Der Tag des Buches im April, mein Vater im Himmel, der König im französischen Exil und Sie sind mit meinem besten Freund verheiratet …«
    Teresa gab vor, die letzten Worte nicht gehört zu haben.
    »Ich finde, der Frühling tut den Büchern gut«, meinte sie. »Natürlich nur, wenn es nicht regnet.«
    »Ach so. Da haben wir also einen Grund, warum der Tag des Buches sich weiterentwickeln muss. Die Leute wollen es so, wie Sie sagen. Ich wette sonst, dass in achtzig Jahren, wenn sich niemand mehr an Sie oder an mich erinnert, die Leute immer noch auf die Straße gehen werden, um an einem 23. April die Sonne zu genießen und Bücher zu kaufen. Man muss nur einen Spaziergang machen, um das zu bemerken. Haben Sie das noch nicht getan?«
    Teresa schüttelte matt den Kopf.
    »Das müssen Sie gleich nachholen! Die

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