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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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Kabinett, hebt die Flasche mit dem Beruhigungsmittel auf, stellt sie auf den Tisch und streicht mit den Fingern durch die Haare ihres Ehemannes. »Jetzt komm schon, Liebster, reg dich nicht so auf. Das bekommt dir nicht.«
    Mit durchaus beabsichtigter Geste rückt Maria del Roser ihren Busen näher an Rodolfos Gesicht. Sie fragt sich, welche Wirkung das neue Parfüm, mit dem sie den gesamten Brustansatz ihres Tageskleides benetzt hat, wohl auf ihn haben wird. Seine Erfinder – edle Parfümeure mit französischen Namen – versichern, dass es auf der Basis von japanischen Blüten hergestellt wurde und der Lieblingsduft von Königin Maria Cristina ist.
    Don Rodolfo atmet tief ein. Die japanischen Blüten besänftigen ihn ein wenig.
    »Verschwinde aus meinem Blick«, schnauzt er Amadeo an, der aus dem Kabinett eilt.
    Der Hausherr schmiegt seine Nase an den Busen seiner Gattin. Er schließt die Augen und wartet, dass sein Herzschlag wieder in seinen alten Rhythmus zurückfindet. Sofort geht es ihm besser.
    »Ach, meine liebe Rorró, du bist wirklich ein gutes Nervenheilmittel. Man müsste dich destillieren und deine Essenz in den Apotheken verkaufen.«
    Sie lacht erfreut. Als sie das Gefühl hat, dass Rodolfo wieder bereit ist, lockert sie ihre Umarmung und betrachtet ihn mit ein wenig Abstand. Er hat Ringe unter den Augen, aber eine gesunde Gesichtsfarbe. Doch seine Worte klingen bitter.
    »Wenn du nicht so perfekt wärest«, sagt er, »würde ich sagen, dass Amadeo nichts von mir hat.«
    Maria del Roser massiert gemächlich Rodolfos Seelöwennacken. Der Rhythmus ihrer Massage ist ebenso exotisch wie das Parfüm auf ihrem Kleid. Bis er sagt: »Ich muss weitermachen. Wenn ich diese edlen Herrschaften noch länger warten lasse, bezichtigen sie mich noch, ein Feind des Königshauses zu sein.«
    Maria del Roser fordert keine Erklärungen, aber Rodolfo gibt sie von sich aus: »Die Herren Polavieja und Maristany möchten mit mir über den Besuch von Alfonso XIII. in unseren Fabriken reden. Bitte, lass sie herein. Und halte bitte Padre Iñesta bei Laune. Die Jesuiten sind es nicht gewohnt zu warten.«
    Maria del Roser geht hinaus, um den Auftrag auszuführen, und Rodolfo setzt nach dieser Unterbrechung seine morgendliche Audienz fort. Zum Glück lässt sich der königliche Terminplan schnell klären. Das gibt ihm Zeit, zwei weitere Besucher innerhalb einer Viertelstunde abzufertigen: einen jungen Architekten mit Namen Raspall, der begierig ist, ihm in der Hoffnung auf zukünftige Aufträge seinen Enthusiasmus und seinen Fleiß zu demonstrieren, sowie ein wortkarger Rechtsanwalt namens Trescents mit hervorragenden Referenzen. Rodolfo gefällt der zweite Besucher besser als der erste. Zudem hat er ihn in diesem Moment nötiger. Für den Fall des Falles legt er dessen Visitenkarte in Reichweite.
    Padre Iñesta ist ein großgewachsener Mann, dem sein üppiger Haarwuchs – vor allem an Augenbrauen, Stirn und Händen – das Aussehen eines großen Primaten verleiht. Aber besonders beeindrucken seine Ohren. Sie sind riesig, fleischig und gerötet, so dass Rodolfo überlegt, ob sie, wenn er sie ihm abschneiden könnte und die Köchin bitten würde, sie zu kochen, eine kräftigende Brühe ergeben würden. Wie der Priester in seiner schwarzen Soutane mit dem viereckigen Hut vor ihm steht, die Hände in die Ärmelaufschläge gesteckt, erinnert er ihn an die Figur des Komturs im letzten Akt des Dramas Don Juan Tenorio . Es fehlt nur noch, dass er ihn einlädt, mit ihm in die Hölle zu gehen.
    Doch stattdessen lässt er sein mageres Hinterteil auf den Sessel sacken und spricht mit einer hohen, aber keineswegs gespenstischen Stimme: »Ich hoffe, Señor Lax, dass Sie verstehen, dass so ein Vorfall, wie wir ihn mit Ihrem Sohn Amadeo erlebt haben, für unsere Einrichtung eine Schande ist. Wenn wir nicht wüssten, wer Sie sind, sähen wir uns gezwungen, Ihren Sohn sofort aus der Schule auszuschließen – und zwar für immer! Aber im Hinblick auf Ihr gutes Renommee und auf das Streben, das Ihr Sohn Juan gezeigt hat, haben wir entschieden, eine Ausnahme zu machen. Aber: Der Schüler muss fest versprechen, dass er wirklich jede der Regeln, die für unser Haus gelten, einhält, und zwar vor allem die Regeln, bei denen es um Gehorsam und Disziplin geht. Und er muss akzeptieren, dass er als Strafe für den Angriff auf seine Schulkameraden eine Wiedergutmachung leisten muss. Ich hoffe, dass Sie diese Maßnahmen nicht zu streng finden.«
    Don

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