Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
verursacht.
»Worauf wartest du noch? Willst du ein Dummkopf sein und hierbleiben?«, fragt Amadeo.
»Nein, nein. Natürlich nicht. Aber wehe, wenn das eine Falle ist, dann bringe ich dich um.«
Amadeo lächelt. »Überleg dir lieber, wie du mir dafür danken wirst. Ich bin davon überzeugt, dass dir ihre Fähigkeiten im Bett noch besser gefallen als das, was sie auf der Bühne zeigt.«
Octavio zieht sich schleunigst Hemd, Sakko und Schnürstiefel an.
»Und, wie sehe ich aus?«, fragt er, während er sich mit den Fingern durch das Haar fährt. Er riecht nach Alkohol.
»Umwerfend.«
»Dann wünsch mir Glück!«
Wie ein geölter Blitz läuft Octavio die Treppe hinunter. Amadeo schenkt sich noch ein Glas ein, macht das Licht aus, geht in den Patio und legt sich unter dem Sternenhimmel in die Hängematte. Er verspürt ein Glücksgefühl, wie ein Gauner, der gerade eine Missetat begangen hat, ohne entdeckt zu werden. Er stellt sich Olympias Überraschung vor, wie sie mitten in der Nacht von seinem Freund bestürmt wird, und den gefügigen Empfang, den sie Octavio bereiten wird, sobald sie seinen Namen hört. Er denkt an seinen Freund, der sie genießt. Er ahnt den verletzten Vorwurf, mit dem Olympia ihn in der nächsten Nacht begrüßen wird. Er kostet die Erniedrigung aus, die er vielleicht in ihren Augen entdecken kann. Die Angst, dass von nun an die Dinge so sein werden. Er spürt ein erregendes Kribbeln.
Beim Einschlafen sehnt er den nächsten Tag und Octavios Bericht herbei.
Ein Mückenschwarm fällt über ihn her.
Von: Violeta Lax
Gesendet am: 7. April 2010
An: Drina Walden
Betreff: DRINGEND
Drina, du musst mir einen Gefallen tun. Ich brauche DRINGEND die Telefonnummer der derzeitigen Besitzer des Gemäldes Don Octavio Conde in seinem Büro in El Siglo . Es ist eines der Bilder meines Großvaters, das derzeit in der Ausstellung gezeigt wird. Es war auf den Fotos vom Eröffnungsempfang, die USA Today vor einem Monat veröffentlicht hat, direkt hinter dem Bürgermeister zu sehen (wenn ich dir nicht antworte, heißt das noch lange nicht, dass ich die Links nicht ansehe, die du mir schickst). Bitte, sei so gut und antworte schnell.
Ehrenwort, sobald ich mich ein wenig beruhigt habe, schreibe ich dir, was mich derzeit so in Beschlag nimmt. Im Moment kann ich dir nur berichten, dass ich zurzeit ganz andere Probleme als ein CNN-Interview habe. Denk dir irgendetwas aus, aber bitte halt mir die Medien vom Hals. Im Moment gibt es wirklich nichts, worauf ich weniger Lust habe. Bitte, sei nicht böse!
Küsschen!
Vio
Von: Drina Walden
Gesendet am: 7. April 2010
An: Violeta Lax
Betreff: Re: DRINGEND
Violeta, dein Gedächtnisverlust verblüfft mich. Der derzeitige Besitzer des Porträts von Don Octavio Conde ist ein Herr in Barcelona namens Gabriel Portal, ich glaube, das ist irgendein weitläufiger Verwandter des Porträtierten. Kannst du dich nicht mehr erinnern, wie er uns mehr als ein Jahr lang mit all seinen Einwänden und Forderungen völlig verrückt gemacht hat, bis wir es beinahe aufgegeben hätten, das Bild hierher zu bekommen? Ich schicke dir im Anhang das Dossier, darin findest du alle weiteren Informationen, auch über den Besitzer. Zum Beispiel, dass er in der Zona Alta von Barcelona lebt, vierundsiebzig Jahre alt ist und als Graue Eminenz gilt.
Was das CNN-Interview angeht, meine Liebe, da bist du ein bisschen spät dran. Vor fast zwei Wochen habe ich eine furchtbare Standpauke bekommen, weil ich den Sender hängengelassen habe. Die ganze Sache war sehr unerfreulich. Ich denke, wenn du zurückkommst, wirst du mehr als einem Menschen hier erklären müssen, was dich denn so wahnsinnig beschäftigt hat, um auf die Anfrage eines der TV-Sender mit den weltweit meisten Zuschauern einfach nicht zu reagieren.
Sorry, Violeta, aber diesmal kann ich dir wirklich nicht applaudieren. Das sind für mich verdammt harte Tage gewesen. Ich finde, solche Dinge müssen sich anders regeln lassen.
Sei dennoch umarmt,
Drina
Von: Daniel Clelland
Gesendet am: 8. April 2010
An: Violeta Lax
Betreff: Mein Roman ist fertig!
Hallo, mein Schatz!
Große Neuigkeiten: Mein Roman ist fertig! Und zu dieser Ankündigung mit Trommelwirbel kommt noch eine weitere: Die Welt existiert wieder! Es ist eine merkwürdige Feststellung, wenn man so viele Monate in einem anderen Jahrhundert gelebt hat, aber es ist die reine Wahrheit. Und ich glaube, ich bin sogar in der Lage, mich wieder in die Welt zu integrieren, ohne dass es für mich
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