Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
der geeignete Moment dafür ist.« Teresa spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte, vor allem bei seinen Worten: »Aber es wird sehr bald sein, ohne jeden Zweifel.« »Und nichts kann Sie davon abhalten?«, fragte sie mit bebender Stimme. »Ich fürchte, nein. Dafür hätte das Leben die Karten anders verteilen müssen«, erwiderte Octavio mit einem charmanten Lächeln und einem verräterischen Glanz in den Augen.
Allein bei dem Gedanken daran, dass Octavio aus ihrem Leben schwinden könnte, verlassen Teresa ihre Kräfte.
»Soll ich ihm sagen, dass er wieder gehen soll, Teresa?«, erkundigt sich Antonia, die in der Tür stehen geblieben ist.
Teresa schüttelt den Kopf.
»Sag ihm, dass ich gleich komme«, verkündet sie resigniert.
Als sie den Salon betritt, trifft sie Octavio an, der in Gedanken versunken in die Glut des Kamins starrt.
»Hier bin ich«, sagt sie, wobei ihre Stimme rau und brüchig klingt.
Sie reicht ihm nicht die Hand. Es ist eine eiskalte, distanzierte Begrüßung. Wie zwischen zwei Menschen, die einander hassen. Oder zwischen zwei Menschen, die sich nicht an die Konventionen halten, weil sie diese absolut nicht befolgen möchten.
Auf Teresas Aufforderung hin nehmen beide Platz. Am Anfang mit einem gewissen Abstand – ein Sessel bleibt zwischen ihnen frei. Dann, vielleicht weil er dieses anstrengende Schauspiel leid ist, steht Octavio auf und nimmt auf dem Sessel Platz, der am nächsten zu ihr steht. Er bleibt einen Moment stehen, um ihre Augen mit diesem unglaublichen Blau zu bewundern, in denen er seit einiger Zeit eine Leidenschaft erkennt, die ihre Worte niemals bestätigt haben. Teresa wiederum ist bemüht, die Tränen zu unterdrücken, die sie bedrohlich in sich aufkommen spürt. Sie möchte sich nicht verraten. Vor allem darum geht es: sich nicht zu verraten. Um nichts in der Welt würde sie es sich verzeihen, Amadeo zu verraten. Aber insgeheim wünscht sie sich nichts sehnlicher, als Octavio all die Gefühle gestehen zu können, die sie für ihn empfindet.
»Sie ziehen also weg«, stellt sie fest.
»So ist es.«
Teresa lässt das Schweigen wachsen. Ein Schweigen voller ungesagter Worte. Worte sind nun überflüssig.
»Wann reisen Sie ab?«
»Morgen früh. Ich habe auf der Magallanes eine Doppelkabine in der Ersten Klasse reserviert.«
Teresa nimmt die Information zur Kenntnis. Eine Doppelkabine. Octavio hegt also noch die Hoffnung, nicht allein aufzubrechen. Deshalb ist er gekommen. Um ihr dies zu sagen. Um sie ins Wanken zu bringen. Nur, er würde dies niemals in Worte fassen. Er schätzt Amadeo zu sehr, und er hat zu viel Respekt vor ihr, als es zu wagen, aufdringlich zu werden oder es gar zu versuchen. Außerdem, sie selbst hat niemals ihre Gefühle preisgegeben. Haben sie womöglich ihre Gesten, ihre Blicke, das Beben in ihrer Stimme verraten? Oder haben zwei Menschen, die sich lieben, tausend andere Möglichkeiten, um sich zu verständigen, und bedürfen keiner Worte?
»Sie wissen nicht, wie sehr ich es bedaure, dass Sie wegziehen«, bringt sie schließlich hervor.
Während sie diese Worte ausspricht, spielt sie mit der Schleife an ihrem Rock. Plötzlich fürchtet sie, zu deutlich gewesen zu sein, und ergänzt: »Amadeo wird das auch sehr bedauern. Weiß er schon davon?«
»Noch nicht. Ich werde es ihm noch heute mitteilen. Aber ich bezweifle, dass er es bedauert.«
»Sie dürfen so etwas nicht sagen. Amadeo schätzt Sie sehr.«
Teresa möchte gerne noch etwas sagen, aber sie hält sich zurück. Sie versucht, die Verzweiflung zu verbergen, die sie innerlich verbrennt. Mit gesenktem Kopf betrachtet sie Octavios Schnürstiefel. Sie sind ordentlich und elegant, wie alles an ihm. Sie kann nicht fassen, dass sie morgen nicht mehr hier sein werden. Dass sie ihn nie wieder sehen wird.
»Außerdem habe ich ein Geschenk für Sie.« Octavio bricht das Schweigen. »Damit Sie eine Erinnerung an mich haben.«
Er überreicht ihr ein nicht sonderlich großes Buch mit einem Ledereinband.
»Das ist doch nicht nötig gewesen, Octavio«, sagt sie, während sie das Buch an sich nimmt und laut liest: » Spirita , Teófilo Gautier.«
»Es geht um Spiritismus. Ich habe gedacht, es würde Ihnen gefallen. Ich würde mich glücklich schätzen, wenn Sie es aufmerksam lesen würden. Und wenn Sie darüber nachdenken würden. Nicht jetzt, selbstverständlich nicht. Wenn sie sich etwas freier fühlen. Ich werde Ihnen immer …«
»Möchten Sie ein wenig Kaffee?«, bietet Teresa schnell an,
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