Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
Persönlichkeit gegeben haben, die einer der herausragendsten Repräsentanten unserer Kultur in der ganzen Welt war«.
In all dieser Zeit ist es Pérez nicht müde geworden, im Namen der Bürgerinitiative, die er vertritt, auf den bedauernswerten Zustand des alten Stadtpalais der Familie hinzuweisen, in dem es seit dem Tod seines Besitzers im Jahr 1974 keinerlei Instandhaltungsarbeiten gegeben hat.
»Aber wir wissen, dass die Beletage für Bankette der Behörden sowie für Empfänge genutzt wurde, was den Absichten völlig widerspricht, die Amadeo Lax bei seinem letzten Willen geleitet haben. Man hat sogar überlegt, das Anwesen abzureißen, was ein gewaltiger Irrtum und überdies ein Beweis für den Mangel an Sensibilität gegenüber dem Künstler wäre.«
Das im Stil des katalanischen Modernisme gebaute Haus der Familie Lax steht seit 1980 unter Denkmalschutz. Es wurde 1899 nach Plänen des Architekten Josep Lluís Ayranch gebaut und besteht aus vier Stockwerken und einem Untergeschoss, was eine Ausstellungsfläche von mehr als 3000 m² ergeben würde. Der Bauherr war Rodolfo Lax, der Vater des Malers, einer der wichtigsten Impulsgeber für die Stadterweiterung von Barcelona im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Der unbestrittene Wert erhöht sich laut Arcadio Pérez noch durch die »prachtvolle Innenausstattung des Bauwerks, die auf denselben Architekten und seinen Mitarbeiterstab zurückgeht, darunter insbesondere die herrschaftliche Marmortreppe mit der Balustrade aus Pflanzenornamenten, der reich gestaltete Kamin sowie der ehemalige Patio, der 1936 umgestaltet und mit einer Glaskuppel überdacht wurde«.
Das Glanzstück des Hauses ist ein großformatiges Wandbild unter dieser Glaskuppel, das Lax selbst gemalt hat, womöglich anlässlich der erwähnten Umbauarbeiten.
Das Gemälde, das von zahlreichen Spezialisten für das Meisterwerk des Künstlers gehalten wird, trägt den Titel Teresa abwesend ; es stellt die junge Ehefrau des Künstlers dar, Teresa Brusés – Tochter von Casimiro Brusés, einem reichen Industriellen aus Barcelona, der für seine Handelsbeziehungen mit Amerika bekannt war –, und zeigt sie in einer Haltung, die Pérez freimütig als »beunruhigend« bezeichnet. Aber das Interessanteste ist die Geschichte, die uns das Gemälde ohne Worte erzählt: die Verzweiflung eines Mannes, der gerade auf grausame und schmerzhafte Weise die Liebe seines Lebens verloren hat. Arcadio Pérez, der dem Maler in dessen letzten Lebensjahren als persönlicher Sekretär zur Seite stand, berichtet: »Lax hat das Fresko in den Tagen, vielleicht sogar Stunden nach dem Weggang von Teresa gemalt. Anscheinend hat die junge Frau ihren Ehemann und ihren kleinen Sohn verlassen, um zu ihrem Geliebten zu flüchten, dem Ältesten der Gebrüder Conde – den Besitzern des historischen Warenhauses Grandes Almacenes El Siglo –, der kurz zuvor nach New York gezogen war. Der verlassene Ehemann, ein in allen Bereichen redlicher Mensch, hat seine Verzweiflung mit Pinselstrichen auf eine frisch verputzte Wand geworfen. Das Ergebnis ist eines der verstörendsten Werke der spanischen Malerei des 20. Jahrhunderts.«
Diese Geschichte hat jahrelang Kunstkritiker und Experten fasziniert, doch leider wurde sie der Öffentlichkeit vorenthalten. Nun rückt die Nachricht über die Vernachlässigung des Freskos sie wieder ins Rampenlicht. Man könnte sagen – und der Vergleich hat durchaus etwas Metaphorisches –, dass Teresa, und zwar die auf dem Bild, noch abwesender ist denn je. Dennoch, Arcadio Pérez zeigt sich optimistisch. Er hat die Hoffnung, dass die gesammelten sechstausend Unterschriften, die die Renovierung des Gebäudes sowie die Rückgabe der Werke von Lax an ihren ursprünglichen Ort fordern, zu einem Ergebnis führen werden. Diesen Forderungen hat sich auch der rechtmäßige – und direkte – Erbe des Malers angeschlossen: sein Sohn Modesto Lax, Professor an der Universität Avignon, der auch die Ansprüche von Violeta Lax, seiner Tochter und somit einzigen Enkelin des Künstlers, vertritt. Die Familie Lax hat sich bislang immer diskret im Hintergrund gehalten, und Pérez versichert, dass ihn »auf die Ferne eine großartige Freundschaft« mit ihr verbindet.
IV
Kehren wir in den alten Patio zurück, wo sich Violeta, die nichts ahnt, der Wand nähert. Ein Handy klingelt, und der junge Beamte geht dran. Er spricht drei Sätze, gibt Anweisungen und teilt schließlich den anderen mit: »Er ist draußen. Ich
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