Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
gewidmet war. Er überließ nichts dem Zufall: Das Testament enthielt einen Schriftsatz mit Empfehlungen für das zukünftige Museum, er bestimmte Arcadio zum Testamentsvollstrecker, und alles Geld, das ihm verblieben war, übertrug er der Staatskasse der Autonomen Regierung von Katalonien, damit wirklich nichts seinen Traum gefährdete.
Aber der Künstler rechnete nicht damit, wie vergesslich Politiker sind, wenn sie ein Versprechen halten sollen.
Dabei zeigte sich der Testamentsvollstrecker entschlossen, mit seiner gesamten Kraft dafür zu kämpfen. Er sammelte sogar mehrere tausend Unterschriften für das Projekt, aber auch das brachte keinen Erfolg. Ein ums andere Mal stolperte Arcadio über die Finessen der Verwaltung. Sehr bald schon stand er bei den Politikern, die sich bei der Trauerfeier des Malers noch großspurig geäußert hatten, vor verschlossenen Türen. Die staatlichen Vertreter fanden sehr schnell Vorwände, mit denen sie das Projekt verzögern konnten, die Gemälde brachten sie inzwischen in den Kellern anderer Museen in Sicherheit, und das Haus wurde, immer mit dem Versprechen auf zukünftige Umbaumaßnahmen, die niemals begannen, verriegelt. Ihre Strategie bestand darin, nie ein kategorisches Nein auszusprechen. Das Projekt Museo Amadeo Lax wurde nie offiziell verworfen, auch wenn ihre Handlungen diese Schlussfolgerung nahelegten.
Später zauberten sie das abwegige Projekt einer Provinzbibliothek aus dem Ärmel, das sie weitere zwei Jahrzehnte beschäftigte. Aber schließlich war es doch nicht so absurd: Es sind diese Bauarbeiten, die heute die drei Besucher hier zusammenführen. Und demnächst kommt noch eine vierte Person hinzu, die sehr viel Arbeit vor sich hat.
Zumindest glänzt inzwischen neben dem Haupteingang ein Messingschild. Es wurde dort angebracht, um einige lästige Stimmen zu beschwichtigen, und zwar in dem Jahr, in dem Amadeo Lax hundert Jahre alt geworden wäre. Anlässlich der Enthüllung der Tafel wurden die Eingangshalle und die Treppe geputzt und man lud Leute zu einem Aperitif ein, die keinerlei Vorstellung von dem hatten, was dort einmal stattgefunden hat. Bei den Reden kam auch Arcadio zu Wort. Aber weder Modesto noch Violeta waren dabei.
Auf der Erinnerungstafel steht unterhalb des katalanischen Wappens folgender Text:
In diesem Haus lebte
bis ans Ende seiner Tage
der Maler Amadeo Lax
(1889–1974).
Erneuerer der Bildenden Künste.
Die Generalitat von Katalonien
ehrt sein Gedenken.
Wie wenig Worte und wie viele Gemeinplätze, um ein ganzes Leben zusammenzufassen.
Hätte es einen Wert, noch etwas hinzuzufügen? Aber nein. Denn das, was wirklich erwähnenswert ist, würde die Besucher verscheuchen.
Donnerstag, 15. März 1984
El Noticiero Universal
Teresa: Noch abwesender denn je
Die Bürgerinitiative Amigos del Museo Amadeo Lax sammelt sechstausend Unterschriften und übergibt sie der Generalitat mit der Forderung, dem Künstler das gegebene Versprechen auf ein eigenes Museum zu erfüllen.
Adela Farré
Ein Jahr vor seinem Tod traf sich der Maler Amadeo Lax (Barcelona 1889–1974) mit Vertretern der Generalitat und vereinbarte, der Autonomen Region Katalonien fast sein gesamtes Werk sowie sein Wohnhaus – im Pasaje Domingo, in der Nähe des zentral gelegenen Paseo de Gracia gelegen – zu überlassen, wenn im Gegenzug darin ein Museum eingerichtet wird, das seiner Künstlerpersönlichkeit gewidmet ist. Für die Verwirklichung des Projekts stellte der Künstler zudem vierzig Millionen Peseten zur Verfügung, die für die Umbauarbeiten verwendet werden sollten. Als Testamentsvollstrecker benannte er den Magister der Schönen Künste Arcadio Pérez, seinen persönlichen Assistenten, damit dieser die Erfüllung seines Letzten Willens überwacht.
In diesen elf Jahren hat die katalanische Regierung kein gutes Gedächtnis bewiesen. Der Traum des Künstlers ging niemals in Erfüllung. Die Sammlung Amadeo Lax – etwa zweihundert Werke, darunter Ölgemälde, Entwürfe und Skizzen – wurde zwischen dem Museu Nacional d’Art de Catalunya (MNAC) sowie diversen Provinzmuseen aufgeteilt, und nur ein kleiner Teil ist dem Publikum dauerhaft zugänglich. Vor vier Jahren war Arcadio Pérez all diese Versäumnisse leid, und er gründete die Bürgerinitiative Amigos del Museo Amadeo Lax, um das Wissen um die getroffene Vereinbarung wachzuhalten und um die Institutionen daran zu erinnern, »dass sie zum wiederholten Male das Versprechen brechen, das sie einer
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