Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
sind für den Künstler absolut atypisch.
Nr. 17:
Cruda verità (Nackte Wahrheit), 1940, 165 × 94 cm, Öl auf Leinwand
Das Gemälde zeigt dasselbe Modell. Die Frau sitzt völlig nackt auf einem prächtigen Armsessel, sie spreizt die Beine und fixiert den Betrachter mit ihrem Blick. Auch hier bildet der weibliche Schambereich das kompositorische Zentrum. Jedoch ist nicht das Schamhaar auffällig, sondern die überaus realistische Gestaltung der Vaginaöffnung mit dicken roten und weißen Farbflecken. Dies Bild ist eine bessere – und mit großer Wahrscheinlichkeit frühere – Version des Werkes Il falso ricordo des Künstlers, das auf das Jahr 1962 datiert ist und derzeit im Museo Thyssen-Bornemisza ausgestellt wird. Vorbehaltlich eines analysierenden Vergleichs der beiden Gemälde ist vorerst festzuhalten, dass in dieser Version das Thema sorgfältiger ausgeführt ist, insbesondere, was den feineren Pinselstrich und die breitere Farbpalette angeht.
Nr. 20:
Siesta , 1936, 150 × 150 cm, Öl auf Leinwand
Dasselbe Modell, diesmal im Schlaf. Aus den Falten eines Bettlakens schaut der Kopf hervor – das Schwarz der langen Haarsträhnen auf dem Kopfkissen kontrastiert dabei hart mit dem Weiß der Bettwäsche – sowie eine Brust, deren Warzenhof das geometrische Zentrum des Bildaufbaus bildet. Dieses Detail vermittelt die erotische Spannung in einem Werk, das ansonsten eine unbefangene Stimmung ausstrahlen würde.
Nr. 26:
Die offene Wunde , 1935, 120 × 93 cm, Öl auf Leinwand
Eine Ausführung des klassischen Dornenzieher-Motivs. Die junge Frau sitzt hier auf einem Felsen neben dem ruhigen Wasser des Sees und zieht gerade einen Dorn aus dem linken Fuß. Ihr linker Knöchel ruht auf dem rechten Knie, die Beine sind nackt, und der Rock liegt so auf den Oberschenkeln, dass er den Blick auf den Schambereich freigibt. Wiederum bestechen hier der Realismus sowie die anatomische Genauigkeit, mit der der Künstler die Vulva des Modells gemalt hat, die auf diesem Werk eher beiläufig in den Blick kommt, so als ob der Künstler – und mit ihm der Betrachter – den Standpunkt eines Voyeurs einnimmt.
Nr. 29:
Das Unsrige , 1935, 70 × 70 cm, Öl auf Leinwand
Eines der drei Werke der Sammlung mit anatomischen Details. Dieses zeigt eine Hand, die auf einer Brust liegt. Es lässt sich nicht sagen, ob es sich um ein Teilporträt desselben Modells handelt, auch wenn die Umstände darauf hinweisen. Aufgrund der groben Pinselführung sind einige Teile der Leinwand frei geblieben. Vermutlich ist dieses Bild eine Studie.
Hinweis
Die komplette Auflistung der Werke dieser Sammlung wurde dem Kuratorium des MNAC für eine erste Einschätzung übermittelt. Ein weiteres unbekanntes Lax-Werk – ein Frauenporträt – ist nicht Bestandteil des Vermächtnisses und verbleibt im Privathaus der Erblasserin. Der vorliegende Auszug wurde erstellt, um die Medien über die bislang unbekannte Sammlung zu informieren. Auf Anfrage können Fotos der vorgestellten Gemälde zur Verfügung gestellt werden. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Arcadio Pérez.
XII
Am 10. März 1908 beendete Maria del Roser Golorons die selbst auferlegte Wartezeit und öffnete das französische Schmuckkästchen ihrer Großmutter. Sie verriegelte ihre Tür, trug die Schatulle in den kleinen Salon, stellte sie auf den Toilettentisch, drehte den winzigen Schlüssel im Schloss herum und hob den Deckel an. Beim Anblick der funkelnden Pretiosen kamen ihr beinahe die Tränen. Obwohl sie nichts Unredliches tat, verspürte Maria del Roser die gleichen Schuldgefühle wie in ihrer frühen Kindheit, wenn sie in einem Versteck diese Schatzkiste aufgemacht und heimlich Ohrringe, Halsketten und Armbänder anprobiert hatte. Nur die Broschen mit ihren feinen, stechenden Nadeln hatten ihr Angst bereitet. Damals hatte sie nicht verstehen können, warum ihre Mutter nur selten die Gelegenheit wahrnahm, diese Herrlichkeiten anzulegen – ihre Mutter, die als Tochter einer Schneiderin immer bestens gekleidet war, aber das Haus kaum verließ.
Als Mädchen hatte sie großes Vergnügen daran gefunden, sich ihre prachtvolle Vorfahrin vorzustellen, diese rotblonde Urgroßmutter, die auch während der Carlisten-Kriege niemals ihre Juwelen ablegte, und allein bei der Vorstellung, eines Tages auch einmal eine überreich mit Schmuck behängte Grande Dame zu sein, war sie vor Bewunderung dahingeschmolzen.
Nun gehörte dieser Schmuck ihr, und nach drei Monaten
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