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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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Dr. Gambús überall im Salon Essenzen aus seinem Arztköfferchen verteilte, bat Maria del Roser die übrigen Anwesenden in den Patio und wies das Personal an, einen Imbiss zu reichen.
    »Und das, ohne uns vorher zu benachrichtigen«, protestierte Eutimia. »Für den Anlass hätte ich das Haus doch richtig herausgeputzt!«
    Währenddessen nutzte Rodolfo die Gelegenheit, eilig sein Zimmer aufzusuchen, um die extra für diesen Anlass gekauften neuen Schuhe gegen ein anderes, altes Paar zu wechseln, das seine Füße weniger folterte, und zugleich seiner Gattin zu berichten, wie er den Morgen zugebracht hatte.
    Maria del Roser wollte ihn an dem Schuhtausch hindern, doch Rodolfo wurde kategorisch: »Wenn ich sie nicht wechseln kann, rufe ich noch die Republik aus«, drohte er, während er sich auf den Schemel setzte, um die Schuhe abzustreifen. Maria del Roser platzte indes fast vor Neugierde, seinen Bericht zu hören.
    »Ich glaube, der arme Mann ist erkältet. Das ist mir gleich aufgefallen, als ich ihn aus dem Zug steigen sah, der übrigens pünktlich um fünf nach neun am Paseo de Gracia ankam. Noch bevor er in den Wagen stieg, fragte er, ob jemand von uns ein Taschentuch hätte. Wir waren nicht einmal an den Ramblas angekommen, da hatte er schon zwei oder drei verbraucht. In seinem Zustand ist ihm dann die ganze Gesellschaft überhaupt nicht bekommen – die Stadträte, der Kardinal, der Generalstab und der Bischof. Sie alle haben ihn die ganze Zeit mit fürchterlichen Scherzen belästigt. Bei der Iglesia de la Merced war er dann schon ziemlich bleich, und wie er da unter dem Baldachin zum Te Deum ging, konnte einem angst und bange werden. Nach dem Gottesdienst haben wir uns gemächlich zur Straßenkreuzung von Calle Reina Regenta und Calle Consulado begeben, um das Programm einzuhalten. Der König hat ein Taschentuch nach dem anderen verbraucht, und wir haben ihm immer wieder frische gereicht. Dort in der Calle Ancha mit der Hausnummer 71 steht übrigens auch das Haus, das dem Marqués von Monistrol gehört, und das ist genau die Stelle, wo die Abrissarbeiten beginnen sollen. Rorrita, du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Stühle, Wimpel und Fahnen in diese enge Straße passen. Und dann noch all die Wachen in ihren Galauniformen. Ich habe sie gar nicht zählen können. Natürlich darf bei so einem Ereignis auch nicht die passende Musik fehlen, also waren dort auch mindestens vier Musikkapellen der Stadt, darunter die von den Salesianern und die vom Infanterieregiment aus Alcántara. Die Musikanten sind vor Nervosität fast gestorben, und alle steckten in ihren besten Uniformen, ihr Anblick war wirklich eine wahre Freude. Damit auch alles bis ins letzte Detail stimmt, hat jemand Blumentöpfe auf der Tribüne des Königs aufgestellt, aber als er ständig niesen musste, wurden sie schleunigst wieder entfernt, weil man befürchtete, dass er darauf allergisch reagiert.
    Stell dir vor, Rorrita, als die Reden begannen, war wirklich jeder Stuhl von einem angesehenen Mann besetzt. Ich saß in der dritten Reihe und habe die ganze Zeit nur den Nacken des Direktors der Banco Hispano Colonial gesehen – der war stolz wie ein Brautvater, der die Hochzeitsfeier bezahlt hat. Der Abgeordnete Puig i Cadafalch kam mir auch ein wenig verschnupft vor. Rorró, wir beide wissen, dass es nicht gerade darum geht, dem König recht zu geben. Er schien eher zu überlegen, was er morgen antworten wird, wenn ihn die Republikaner im Stadtrat bezichtigen, ein Monarchist und gegen Barcelona eingestellt zu sein.
    Rorrito, ich schwöre dir, während der vielen Reden haben einige der Zuhörer ein Nickerchen gemacht. Auf jeden Fall habe ich den Marqués de Comillas beim Schlafen beobachtet. Der Beifall hat ihn dann vor einer Peinlichkeit gerettet, denn dann war er plötzlich wieder frisch und munter und rief mit allen anderen zusammen in perfektem Katalanisch: ›Visca el Rei!‹ Na, und da ich schon bei den konservativen Kräften bin, ich muss dir sagen, Schatz, Mauras Beitrag war der Gipfel! Das klang eher nach einer Antrittsrede für die Real Academia. Sie war so blumig und überladen, als hätte er sie nicht selbst geschrieben. Das ging dann so: ›Wie ein vor Saft strotzender Baum, der neue kräftige Knospen treibt und vor einer reichen und üppigen Blüte steht, so strotzt Barcelona vor Leben und muss diese Bauarbeiten durchführen, bei denen die engen Gassen der Altstadt durch große Straßen ersetzt werden …‹ Und in dem Stil ist es

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