Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
und fühlte mich Nancy Fortune spontan verbunden. Das könnte ich sein, die David so ansieht.
»Und das«, sagte sie und wanderte mit dem Finger auf der Seite weiter, »ist Peters Frau, Elizabeth.«
Eine labile Frau, entschied ich mit bereits voreingenommenem Blick. »Dann ist das wohl ihr gemeinsamer Sohn?«
»Ja. Der junge Philip. Er muß so etwa in Robbies Alter gewesen sein, als ich das Foto gemacht habe. Er war sehr stolz auf dieses Pony. Immer wenn er zu Besuch kam, ging er zuerst in die Ställe.«
Ich sah sie etwas verwirrt an. »Wenn er zu Besuch kam? Wohnte er denn nicht zu Hause?«
»O doch, aber nicht in Schottland. Nicht bei Peter. Philip blieb in Irland, bei seiner Mutter. Elizabeth«, sagte sie, »war nicht ganz gesund. Haben Sie davon gehört?«
»Nein.«
»Manisch-depressiv nannten die Ärzte es. Sie hatte einmal einen schweren Nervenzusammenbruch. Reisen war ihr ein Greuel. Philip kam regelmäßig im August und zu Ostern zu uns, aber Elizabeth’ Zustand verschlechterte sich jedesmal, wenn er nicht da war, und Peter wollte den Jungen nicht von seiner Mutter trennen. Das war wohl ein Fehler«, sann sie. »Wenn er bei Peter aufgewachsen wäre, wäre Philip vielleicht anders geworden. Weniger egoistisch.«
Ich dachte an Fabia und war geneigt zu widersprechen. Manche Dinge, überlegte ich, waren einfach angeboren. Wie Jeannie gesagt hatte: Manche Menschen kamen schon krumm auf die Welt. Aber ich behielt meine Meinung für mich und schlug eine neue Seite im Fotoalbum auf. »Ist das hier Philip als Baby?«
Sie warf einen Blick auf das Foto. »Och, nein. Das ist Davy.«
»Wirklich?« Interessiert betrachtete ich das runzelige, schlafende Bündel im Kinderwagen. Das Dumme an Babys war, fand ich, daß sie sich alle ähnlich sahen. Erst ein paar Fotos später konnte ich allmählich Davids Züge in Miniaturform ausmachen – die langen Wimpern, das breite, etwas schräge Lächeln und das kleine Kinn, das schon eigensinnig gereckt war. Und die Haare natürlich. Diese Masse dunkler, wirrer Locken war unverwechselbar.
Er sah seiner Mutter ähnlicher als seinem Vater, entschied ich, in der Annahme, daß es sich bei dem fröhlich lachenden Mann in Fischerkleidung, der David auf mehreren Schnappschüssen auf dem Arm hielt, um seinen Vater handelte. Ich mochte nicht danach fragen. David hatte mir erzählt, daß sein Vater jung gestorben war, und ich wollte keine schmerzlichen Erinnerungen wecken.
Statt dessen machte ich die scheinbar unverfänglichere Bemerkung, daß David ein hübsches Baby gewesen sei.
»Ja«, stimmte seine Mutter mir zu, »er war schon ein süßer Fratz. Und er hat nichts von seinem hübschen Aussehen verloren, oder?«
Ich hörte den neugierigen, leicht provozierenden Unterton in ihrer Frage und fühlte, wie meine Wangen rot wurden. »Nein, hat er nicht.«
»Ein ehrliches Mädchen.« Sie sah mich wohlwollend an. »So etwas ist selten heutzutage. Kein Wunder, daß Davy eine Schwäche für Sie hat.«
Mittlerweile blutrot, wich ich ihrem Blick aus und tat, als würde ich mich ganz auf die Fotos konzentrieren. »Und wer ist das?« Ich deutete auf einen Schnappschuß, auf dem Peter seinen Arm um eine langbeinige jüngere Frau geschlungen hatte, deren dunkles Haar mit einem buntgemusterten Tuch zurückgebunden waren.
»Das ist Pamela«, sagte Nancy Fortune und beobachtete mich von der Seite. »Sie war mit Davy verheiratet.«
Ich setzte ein möglichst gleichmütiges Gesicht auf und nickte. »Ah ja. Jeannie hat mir erzählt, daß er verheiratet war.«
»Pamela war auch aus London.« Die scharfsinnigen blauen Augen ließen mich nicht los. »Kein übles Mädchen, aber Eyemouth war nichts für sie – sie mochte das ruhige Leben hier nicht. Sie langweilte sich und ließ es an Davy aus. Hat ihm das Herz gebrochen, als sie ging.«
Ich nahm die junge Frau auf dem Bild genauer in Augenschein und erinnerte mich an das, was David an jenem Tag auf dem Mittelpier gesagt hatte, als ich ihn nach der Gefährtin des einsamen Schwans gefragt hatte. Sie hat ihn verlassen, war seine Antwort gewesen. Sie schien sich nicht an das ruhige Leben im Hafen gewöhnen zu können .
Davids Mutter las meine Gedanken und lächelte. »Er wird gegen Dämonen gekämpft haben, seit dem Tag, als Sie hier aufgetaucht sind.«
»Na, mir kommt es manchmal eher so vor, als ob er gegen mich ankämpfte«, entgegnete ich.
»Ich glaube, er sagte, Sie seien eine schwierige Frau«, kommentierte sie vergnügt. »Aber wenn ein Mann
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