Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
den abgetretenen Teppich zur Hausbar und bediente sich, worauf er neben mir auf dem Sofa einsank und die Beine ausstreckte. Charlie, die kleine Graugetigerte, begann sofort, seine Schnürsenkel zu attackieren. David nahm mit zufriedener Miene einen Schluck von seinem Whisky und wandte sich dann an Peter. »Also, die Zelte sind aufgebaut, wenn du sie dir ansehen möchtest.«
»Ausgezeichnet. Es sind sechs, nicht wahr?«
Der dunkle Kopf neben mir nickte. »Sechs plus mein Zelt und das große Eßzelt. Die Kühe auf der Nachbarweide schauen inzwischen reichlich verwirrt aus der Wäsche.«
»Gut, gut. Wenn du deinen Whisky ausgetrunken hast, können wir ja …«
»Himmel, Peter«, sagte David und verdrehte die Augen, »ich habe die vergangenen zwei Wochen bis zu den Ohren in Prüfungen gesteckt, weißt du. Ich mußte dreimal Aufsicht führen und hatte stapelweise Arbeiten zu benoten. Und heute habe ich zwischen dem Lesen und Benoten noch die verdammten Zeltheringe in den Boden geschlagen. Ich bin ziemlich erledigt«, meinte er schließlich. »Kannst du dich nicht von Wally herumführen lassen? Er ist noch da unten.«
Peter sah zwischen Davids erschöpftem Gesicht und meinem hin und her und lächelte vielsagend. Dann hob er sein Glas und leerte es. »Natürlich, mein Junge. Bleib nur hier und ruhe dich aus. Ich werde gehen und mich ausgiebig umsehen.«
Der Raum wirkte plötzlich irgendwie kleiner, als nur noch David und ich und die Katzen darin waren. Oder vielleicht war es auch nur das Sofa, das mir kleiner vorkam, oder David schien größer …
»Das ist mal wieder mein typisches Pech«, sagte er mit weicher Stimme. »Nun habe ich dich endlich mal für mich allein in diesem Haus und bin verdammt noch mal zu müde, um die Situation auszunutzen.«
Ein angenehmer, kitzelnder Schauer lief mir den Rücken hinunter und setzte sich in meiner Magengrube fest. Eigentlich gab es keinen Grund dafür – nur war mir nicht klar gewesen, daß er es tatsächlich darauf angelegt hatte, mit mir allein zu sein. Seit dem Tag der Fischauktion waren wir beide so beschäftigt gewesen, daß ich ihn kaum zu Gesicht bekommen hatte, und obwohl er sich nicht wieder völlig hinter seine höfliche Distanz zurückgezogen hatte, hatte er mir doch auch keinen Grund zu der Hoffnung gegeben, daß er meine Gefühle erwiderte. Bis jetzt.
Er ließ sich noch tiefer auf dem Sofa herunterrutschen und rollte den Kopf auf dem Lederpolster zur Seite, um mich anzusehen. »Du hast auch was getrunken, stimmt’s? Verdammt.«
Diesmal war der angenehme Kitzel so stark, daß ich lächeln mußte. »Ich bin nicht willenlos und leichter rumzukriegen, wenn ich etwas getrunken habe«, versicherte ich ihm. »Nur die Wahrscheinlichkeit, daß ich einschlafe, ist größer.«
»Versuch bloß nicht, mich zu ermutigen.« Seufzend rollte er den Kopf wieder herum und führte sein Glas zum Mund. »Ah, vielleicht komme ich wieder zu Kräften, wenn ich das hier intus habe.«
Ich war wirklich in schlechter Verfassung, dachte ich. Ich konnte mich überhaupt nicht konzentrieren, wenn er in meiner Nähe war. Meine Sinne spielten schon verrückt, wenn ich nur zusah, wie dieser Mann einen Schluck aus seinem Glas nahm. Sein sauberer Seifengeruch, der sich mit dem scharfen Aroma des Whiskys vermischte, die Art, wie der Stoff seines Arbeitshemds sich um seine Armmuskeln spannte, die widerspenstige schwarze Locke, die ihm immer in die Stirn fiel – all das nahm ich überdeutlich wahr. Und ich spürte das erschreckend überwältigende Bedürfnis, ihn zu berühren. Höchst unprofessionelles Verhalten, meine Liebe , schalt ich mich. Es führt zu nichts, sich mit Kollegen einzulassen.
Doch als David sich umdrehte, um sich in ganzer Länge auf dem Sofa auszustrecken, flatterten die letzten Reste meiner vernünftigen Vorbehalte zum Fenster hinaus. Er lag auf dem Rücken, hatte seinen Kopf in meinen Schoß gelegt, als ob er dort hingehörte, und sein Glas mit beiden Händen auf seiner Brust abgestellt.
»Und, bist du wieder zu Kräften gekommen?« fragte ich und sah zu ihm hinunter.
Seine Augen schlossen sich. »Ich fürchte nicht.«
Ich betrachtete ihn sehr lange und erkannte den genauen Moment, als sein Herzschlag sich verlangsamte, die Linien der Erschöpfung auf seiner Stirn sich glätteten und sein Atem in den Rhythmus eines tiefen, zufriedenen Schlummers überging.
Dann nahm ich vorsichtig das Glas mit dem restlichen Whisky aus seinen erschlaffenden Händen. »Verdammt«,
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