Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
Armen rechts und links von mir an der Wand ab, um mich festzunageln. Mit plötzlich aufloderndem Ärger stellte ich fest, daß ich tatsächlich Angst hatte, große Angst. Keine körperliche Angst – denn obwohl er versuchte, mich einzuschüchtern, glaubte ich keine Sekunde, daß er mir auch nur ein Haar krümmen würde. Aber zu wissen, daß er ebenso wie sein Sohn in meine Gedanken eindringen konnte … Bei Robbie hatte ich mich inzwischen daran gewöhnt, aber bei Brian kam es mir wie ein Gewaltakt vor.
»Brian, verschwinden Sie«, sagte ich.
Er lachte leise in sich hinein, beugte sich noch weiter vor, so daß ich seinen Bieratem riechen konnte, und genoß das Gefühl der Überlegenheit. »War das eine Einladung?«
Ich preßte die Lippen aufeinander. Ich hätte ihm mein Knie zwischen die Beine rammen können, aber da es sich nur um Brian handelte, und noch dazu um einen sehr betrunkenen Brian, kam mir das doch ein wenig übertrieben vor. Außerdem hätte ich Jeannie dann einiges zu erklären gehabt. Die Studentinnen um Hilfe zu rufen kam ebenfalls nicht in Frage – bis sie um die Ecke gelaufen wären, hätte Brian sich schon zurückgezogen und mich wie einen feigen Dummkopf dastehen lassen.
Also hielt ich meine Stellung, so gut ich konnte, und überlegte, was ich tun sollte, als ich jemanden von rechts um das Gebäude herumkommen hörte. Jemanden mit einem schweren Tritt. Einen Mann. David, entschied ich in einer plötzlichen Aufwallung purer Erleichterung.
Doch kaum hatte ich das gedacht, als David selbst mich auch schon widerlegte, indem er pfeifend von links um die Ecke gebogen kam. Er blieb abrupt stehen, als er die Szene vor sich erblickte. »Was zum Teufel ist hier los?«
Brian zuckte mit den Achseln und machte sich noch nicht einmal die Mühe, den Kopf zu wenden. »Wir haben nur ein bißchen Spaß, Deid-Banes.«
»Okay, der Spaß ist jetzt vorbei. Laß sie gehen.«
»Warum sollte ich?«
»Weil ich dir sonst eins überziehe, deshalb.«
Ich konnte David hinter Brians Schulter nicht erkennen, aber obwohl er eindeutig nicht erfreut klang, hörte er sich auch nicht gerade besonders wütend oder aggressiv an. Daher verblüffte es mich völlig, als Brian plötzlich nach hinten gerissen wurde, herumwirbelte und dann wie eine Marionette, deren Fäden man durchgeschnitten hatte, zu meinen Füßen zusammensank.
Ich starrte bestürzt auf ihn herab. »Das hättest du nicht tun sollen, David. Ich kann mich schon alleine …« Doch ich beendete den Satz nicht. Denn als ich den Kopf hob, um David anzusehen, entdeckte ich, daß er etwa drei Meter von Brian entfernt stand und genauso überrascht dreinblickte wie ich.
Unsere Blicke begegneten sich über die leere, schattige Stelle hinweg, wo Brian eben noch gestanden hatte, und David hob beeindruckt eine Augenbraue. »Teufel auch«, sagte er.
»Aber nein, ich bin sicher, er wird gleich wieder zu sich kommen«, sagte Peter, der mich gesucht hatte und nun halb desinteressiert, halb fröhlich auf Brians am Boden ausgestreckten Körper hinabsah – wie ein Botaniker, der ein gemeines Gartenunkraut betrachtet. »Nein, er atmet ganz normal. Ich bin sicher, wir brauchen uns keine Sorgen zu machen.« Er lächelte David komplizenhaft an. »Womit hast du ihn denn zu Boden geschlagen?«
»Ich habe ihn überhaupt nicht berührt.«
»Nein? Wer dann?« Die länglichen Augen richteten sich neugierig auf mich. »Verity, meine Liebe, Sie verblüffen mich wirklich. Ich hatte ja keine Ahnung …«
»Ich war es auch nicht«, sagte ich kopfschüttelnd. »Ich weiß, das klingt albern, Peter, aber ich glaube« – ich bat David mit einem hilfesuchenden Blick um Unterstützung – »ich glaube, der Wächter hat das getan.«
Peter reagierte ungeheuer erfreut. » Mein Wächter? Mein Legionär von der Neunten?«
»Ja.«
»Guter Mann.« Peter blickte wieder auf Brian hinunter und nickte hochzufrieden. »Gut gemacht. Er erfüllt immer noch seine Pflicht, wie ein ehrenhafter Soldat. Er hat Sie belästigt, was?«
Ich runzelte leicht die Stirn. »Der Wächter?«
»Brian. Ich vermute, er hat sich lächerlich gemacht?«
David mischte sich diplomatisch ein. »Er ist betrunken.«
»Aha.« Peter nickte wieder und blickte sehr fromm und selbstgerecht drein für einen Mann, der selbst öfter angetrunken als nüchtern war. »Ja, das habe ich mir schon gedacht. Jedenfalls«, sagte er darauf gutgelaunt zu mir, »müssen Sie jetzt unbedingt mitkommen und sich ansehen, was wir inzwischen
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