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Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)

Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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sie zur selben Familie?«
    »Ach so. Ja, sie war seine Schwester.«
    Das durchdringende Pfeifen des Kessels ertönte plötzlich, und Brian machte sich daran, den Tee zuzubereiten, wobei er mir einen widerwillig-amüsierten Blick zuwarf. »Eins zu null, für Sie.«
    Robbie umklammerte den Anhänger fester mit seiner kleinen Hand. »Sie hatte langes Haar«, sagte er zu mir. »So lang wie Ihres, und es hatte auch die gleiche Farbe.«
    Es folgte ein kurzes Schweigen, das Brian mit der Frage unterbrach, die ich selbst nicht zu stellen gewagt hatte. Sie mußte ihm ebenfalls schon länger durch den Kopf gegangen sein, nach dem, was am Vortag passiert war. »Glaubst du, daß Miss Grey den Wächter an seine Schwester erinnert?«
    »Ja.« Die Antwort kam wieder ohne Zögern. »Er hat sie sehr gern.«
    Ich sah Robbie gespannt an, den Bleistift gezückt. »Und sie war es, die ihm diesen Anhänger … diese Kette geschenkt hat?«
    »Nee, sie hat sie dem anderen Mann geschenkt«, antwortete er. »Als Glücksbringer oder so. Damit ihm nichts Schlimmes passiert.«
    »Sie hat sie dem anderen geschenkt?«
    »Ja, dem Freund des Wächters.« Robbie sah mich an, als handelte es sich um bekannte Tatsachen. »Dem, den sie heiraten wollte.«
    »Aha.«
    Brian hob die Augenbrauen. »Meine Güte, das ist ja besser als jede Seifenopfer, besser als East Enders .«
    Meine zehn Minuten, dachte ich, mußten längst um sein, aber Brian schien zusehends mehr Interesse für unser kleines Spiel zu entwickeln und machte keine Anstalten, es zu beenden. Er hatte sich mit dem Rücken an die Spüle gelehnt, während er darauf wartete, daß der Tee zog, und sah zu, wie sein Sohn den Anhänger mit dem Kettenstück wie einen Würfel in seiner Handfläche hin und her bewegte.
    »Er war auch Soldat«, sagte Robbie nach einer Weile.
    »Der Freund des Wächters?«
    »Ja. Er war älter und wußte viele Sachen. Er sagte auch, daß das Schiff kommen würde. Er sagte …« Robbie brach ab, und sein kleines Gesicht wurde traurig. »Aber es kam nicht. Und dann kamen die Pferde, und der Wächter mußte ihn in das Feuer tun.«
    Fasziniert beugte ich mich über den Tisch. »Warum, Robbie? Warum mußte er ihn in das Feuer tun?«
    Doch der Nebel, durch den er diese Dinge sah, hatte sich zusammengezogen, und Robbie schüttelte den Kopf. »Es tut ihm leid«, sagte er, und ich sah mit Schrecken, daß seine Augen in Tränen schwammen. »Es tut ihm so furchtbar leid. Er hatte ihr versprochen, daß er ihn beschützen würde, aber er konnte es nicht. Er konnte es nicht verhindern.«
    Ich sah ihn besorgt an, als eine einzelne Träne ihm die sommersprossige Wange hinablief. »Schon gut, Robbie, du brauchst nicht weiter …«
    »Claudia«, flüsterte er, als hätte er mich nicht gehört, sein Gesicht drückte Verzweiflung aus. »Es tut mir so leid, Claudia.«
    »Genug.« Brian warf seine Zigarette in das Becken und stieß sich von der Spüle ab. »Das reicht jetzt, glaube ich.«
    Ich nickte zustimmend und streckte die Hand nach dem Anhänger aus, wobei ich den Jungen herzlich anlächelte. »Das war wunderbar, Robbie, du bist uns eine große Hilfe. Ich bringe das jetzt zum Lagerraum für die Fundstücke zurück und …«
    » Nein !« stieß er hervor, es war fast ein Schrei, und sogar Brian sah erschrocken aus.
    »Hör mal, mein Junge …«
    Robbie ignorierte ihn und sah mich mit flehendem Blick an. »Sie dürfen die Kette nicht in den Lagerraum tun. Sie soll beschützen … Sie verstehen nicht …«
    »Robbie …«
    »Nein.« Ein schmerzliches Zucken durchfuhr ihn, er kniff die Augen zu und schüttelte einmal den Kopf, wie um seine Gedanken zu ordnen. »Muß mein Versprechen halten … muß beschützen …«
    »Schluß jetzt.« Brian sah von seinem Sohn zu mir. »Das muß sofort aufhören.«
    »Robbie«, sagte ich, »es ist gut, Lieber. Ich bin in Sicherheit. Gib mir jetzt den …«
    Der Junge warf plötzlich seinen Kopf nach hinten, als hätte ihn jemand an den Haaren gezogen, und verdrehte die Augen. » Periculosa «, sagte er mit einer hohlen Stimme, die überhaupt nicht wie seine klang. » Via est periculosa .«
    »Hör sofort auf damit!« Brian pflanzte sich schäumend vor Wut neben mir auf. »Laß den Jungen in Ruhe!«
    Verblüfft wollte ich gerade den Mund aufmachen, um meine Unschuld zu beteuern, als Brian herumfuhr und ins Leere schrie: »Hörst du mich, du verdammter Mistkerl? Laß meinen Sohn in Ruhe!«
    Die Leere schien mit verblüfftem Schweigen zu antworten.

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