Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
richtete ihren mütterlich-strengen Blick auf Quinnell. »Peter, ich muß mich schon sehr über Sie wundern«.
Er verteidigte sich mit bewundernswerter Gelassenheit. »Meine Liebe, sie hat mir ihre Hilfe angeboten .«
»Na klar. Aber egal, wobei sie Ihnen helfen wollte, ich fürchte, Sie müssen jetzt allein zurechtkommen. Ich habe etwas Interessanteres für Verity geplant. Sie wissen doch, daß Robbie in einer halben Stunde seinen Klavierunterricht hat …«
Quinnell hob spöttisch eine elegant geschwungene Augenbraue. »Ja«, sagte er, »ich kann mir vorstellen, daß sie davon fasziniert sein wird …«
»… und ich dachte, sie könnte mit uns in die Stadt kommen. Granny Nan hat heute Museumsdienst. Wir könnten Verity den Wandteppich zeigen.«
Quinnell schien einen Moment zu überlegen und änderte seine Haltung dann, wie ein Schiff, das seinen Kurs nach dem Wind richtet. »Ach so, natürlich. Ausgezeichnete Idee«, stimmte er dem Plan zu und lächelte mich aufmunternd an. »Ja, gehen Sie nur. Nein, nein, ich komme hier auch ohne Sie klar. Haben Sie Ihren Regenmantel? Hier.«
Er achtete darauf, daß ich die Kapuze aufsetzte und alle Druckknöpfe richtig schloß, und schickte mich dann los, wobei es wohl vor allem die Erwähnung von Davids Mutter war, die ihn den Ausflug auf einmal so befürworten ließ.
Jeannie zog ebenfalls ihre Kapuze über den Kopf und rannte durch den Regen davon. Ich folgte ihr die lange Auffahrt nach Rose Cottage hinunter, wo Robbie in der Küche auf uns wartete und einen Schraubenzieher mit einem roten Griff in der Hand hielt.
Jeannie lachte. »Was willst du denn damit?«
»Granny Nan braucht einen.«
»Na schön, gib her und hol deine Noten, sonst kommen wir zu spät.«
Der Gedanke, eventuell zu spät zu seiner Klavierstunde zu kommen, schien Robbie nicht weiter zu beunruhigen. Er ließ sich viel Zeit damit, die Notenblätter aus dem Wohnzimmer zu holen. Jeannie sah mich an und schüttelte den Kopf. »Es ist jeden Sonntag dasselbe.«
»Spielst du auch Klavier?«
»Och, nein. Ich habe kein Talent. Aber meine Mutter hat gespielt, und wir haben ihr Klavier behalten.«
Es war schade, fand ich, daß Robbies Großmutter nicht mehr lebte, um ihn dieses wunderbare Instrument zu lehren. Ich hatte so viel von meinen beiden Großmüttern gelernt. Doch Robbie schien den Mangel nicht als solchen zu empfinden.
Während er auf dem kurzen Weg zu dem Schuppen, in dem Jeannies Auto untergestellt war, neben mir durch die Pfützen hüpfte, stellte er vergnügt fest, daß wir beide die gleichen gelben Regenmäntel trugen. »Guck mal, Mam, meiner sieht genauso aus wie Miss Greys.«
»Ja, das sehe ich. Spritz dich nicht voll.«
»Hast du an den Schraubenzieher gedacht?«
Jeannie bejahte. »Haben sie denn keinen im Museum?«
»Keinen solchen.« Robbie sprang mit beiden Füßen zugleich in eine letzte Pfütze und stapfte dann patschend in den Schuppen.
Die Fahrt nach Eyemouth dauerte nur wenige Minuten. Ich wischte das beschlagene Beifahrerfenster frei und lugte neugierig zu dem Gewirr von schmalen Einbahnstraßen hinaus, die von würfelförmigen, robusten Häusern aus grob behauenen Steinen gesäumt wurden. Anders als die großen, vornehmen Häuser, die an der Hauptstraße standen und große Vorgärten mit Kaskaden von bunten Frühlingsblumen besaßen, drängten sich die Häuser im Stadtkern direkt an die Gehwege und ließen keinen Platz für Begrünung. Dennoch machten sie einen freundlichen Eindruck, sie waren solide und zuverlässig und trugen Namen, die in großen Lettern über die farbig gestrichenen Türen gemalt waren.
Die Namen Ivy Cottage und Lily Cottage waren nichts Besonderes, es gab sie überall, aber manche anderen verwirrten mich, bis ich Jeannie danach fragte.
Sie lächelte. »Das sind Bootsnamen, manche von ihnen jedenfalls. Wir sind vorhin an einem Haus namens Fleetwing vorbeigefahren – das gehörte meinem Großvater, und die Fleetwing war sein Fischkutter.«
»Dads Boot heißt auch so«, warf Robbie ein.
»Stimmt«, bestätigte Jeannie trocken. »Brians einziger Versuch, die Familientradition zu ehren. Kam sehr gut an bei meinem Vater.«
Woraus ich schloß, daß Wally Tyler nicht gerade begeistert über die Idee seines Schwiegersohns gewesen war.
»War dein Vater früher auch Fischer?«
»Mein Dad? Nein, es hat ihn nie aufs Meer gezogen. Er haßt Boote, deshalb ging er bei einem Gärtner in die Lehre. Die alte Mistress Finlay selbst hat ihn später eingestellt,
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