Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
damit er sich um die Grundstücke von Rosehill kümmert, und zwar lange bevor sie die alte Mistress Finlay wurde.« Jeannie sah mich an und lächelte. »Er ist mittlerweile dort verwurzelt.«
»Wie der Wächter«, sagte Robbie.
Jeannie nickte. »Genau.« Sie lenkte das Auto um eine letzte steile Kurve, kreuzte eine Straße, die aussah wie die, auf der ich zum erstenmal nach Eyemouth hineingefahren war, und bog dann auf einen großen Parkplatz ein. »So«, sagte sie zu mir, »ich bin gleich wieder da. Ich bringe nur Robbie zu seinem Unterricht, und dann können wir zusammen zu Fuß zum Museum gehen. Es ist nicht weit von hier.«
Nachdem ich ein paar Minuten gewartet hatte, stieß ich die Beifahrertür auf und stieg aus, um mich zu strecken, wobei ich die Kapuze wieder gegen die allgegenwärtige Nässe aufsetzen und festbinden mußte. Der Regen hatte zwar nachgelassen, aber das Meer war nur wenige Schritte entfernt, und der immer noch heftige Wind führte aufgepeitschte Gischt mit sich und schmeckte salzig. Vom Donnern der Wellen angezogen, drehte ich mich um und versuchte, durch das Grau hindurch zu erkennen, ob die Wellenkämme wirklich wie die weißen Mähnen von Manannans Pferden aussahen, wie Peter gesagt hatte, aber ich konnte nur einen kurzen Blick auf sie erhaschen, bevor ich Jeannies flinke Schritte auf dem Pflaster hinter mir hörte.
»Ist dir auch nicht kalt?« fragte sie, als wir uns auf den Weg machten. »Wir können immer noch das Auto nehmen, wenn du möchtest. Ich dachte nur, daß es vielleicht wegen des Bank-Holiday-Wochenendes schwierig werden könnte, einen anderen Parkplatz zu finden.«
Ich hatte den Feiertag am Montag ganz vergessen. Trotz des widrigen Wetters war eine ganze Menge von Menschen in den Straßen unterwegs, fest entschlossen, das verlängerte Wochenende zu nutzen und nicht zu Hause herumzusitzen. Jeannie dagegen beeilte sich vernünftigerweise, schnell wieder ins Trockene zu kommen, und als ich ihr durch die Straße folgte, überkam mich das selbstzufriedene Gefühl einer Fremden, der es gelang, sich allein zu orientieren.
Das war ganz sicher die Straße, durch die ich am ersten Tag gefahren war, als mich der Bus aus Dunbar hergebracht hatte. Was bedeutete, daß der Hafen sich in jener Richtung befand und man zum Ship Hotel, wo Adrian und David wohnten, nur durch diese kleine Straße gehen mußte und …
»Hier entlang.« Jeannie führte mich durch eine gewundene Gasse mit einer Reihe hübscher Geschäfte zu einem kleinen Platz, der auf zwei Seiten von einer Ansammlung völlig unterschiedlicher Gebäude begrenzt wurde. Eines davon, mit dem charakteristischen Zeichen über der hölzernen Tür, war offensichtlich die Freimaurerloge, und das weiß verputzte alte Haus daneben wies sich durch ein Schild als das eines Fischhändlers aus. Schräg gegenüber stand ein hoch aufragendes Wunder moderner Architektur, ein rotes Ziegelsteingebäude mit auffälligen hellgrünen Fensterrahmen und einem Innenhof mit Garten, das etwas schwerer zu identifizieren war. Aber das kleinere Gebäude direkt vor uns war eindeutig das Museum.
»Die Auld Kirk«, sagte Jeannie, und es konnte sich tatsächlich um nichts anderes handeln. Die goldgelb gestrichenen Mauern, die Bogenfenster und der schöne Glockenturm konnten nur zu einer alten Kirche gehören, und auch wenn in ihr keine Gottesdienste mehr abgehalten wurden, schien sie immer noch eine gewisse Ehrerbietung von ihren Besuchern zu verlangen. Unter der anmutig gewölbten Spitze und der Wetterfahne, die den sechseckigen Turm krönten, zeigte die exakt gehende Turmuhr halb zwölf an.
Jeannie warf einen Blick auf die Turmuhr und bemerkte, daß wir uns glücklich schätzen könnten, wenn wir um drei Uhr wieder draußen wären. »Sie redet gern, unsere Granny Nan.«
»Aber was ist mit Robbie?« fragte ich.
»Och, für den ist gesorgt. Mein Vater holt ihn nachher von seiner Klavierstunde ab, und dann drehen sie gewöhnlich eine Runde am Hafen und sagen Dads Freunden guten Tag. Robbie freut sich immer schon darauf. Außerdem«, fügte sie hinzu, »würde er sich mit uns nur langweilen. Er hat die Ausstellungsstücke schon mindestens hundertmal gesehen, und Granny Nan wird dir alles genau zeigen wollen, besonders, weil sie weiß, daß du eine Museumsexpertin bist.«
»Arbeitet sie denn schon lange hier?«
»Ja, seit der Eröffnung. Der Arzt hat ihr nach ihrem Herzinfarkt dringend geraten, die Arbeit aufzugeben, aber sie will nichts davon wissen.
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