Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
Warum das denn?«
»Er stellt gerade ein Team für Alexandria im September zusammen. Eine ziemlich groß angelegte Unternehmung, nach allem, was ich gehört habe. Die BBC schickt ein Filmteam hin, und so weiter.«
»Und?«
»Und er möchte, daß du zu seinem Team gehörst«, erklärte Howard langsam und deutlich, als würde er mit einem Kind sprechen.
»Du machst Witze.«
»Darling«, tadelte er, »ich mache niemals Witze.«
»Alexandria …«
»Mmm. Soll ich ihm deine Nummer geben?«
Ich dachte an Quinnell und schüttelte unwillkürlich den Kopf. »Nein, noch nicht. Ich … ich werde ihn in ein paar Tagen anrufen, okay? Und, Howard?«
»Ja?«
»Danke. Für deine Expertenmeinung.«
»Gerne, jederzeit.« Seine freundliche Stimme bewirkte, daß ich mich beinahe nach meinen Tagen am Museum zurücksehnte, und ich legte mit einem leisen Seufzer auf.
Charlie, die kleine graue Katze, sprang mit einem Satz auf den Telefontisch, um mein Notizbuch zu begutachten, und ich streichelte ihren zierlichen Hals und vertrieb den nostalgischen Schleier aus meinen Augen. Ich hatte die richtige Entscheidung getroffen, als ich das Museum und Lazenby verlassen hatte.
Charlie gab ein leises Geräusch von sich, das wie das Quietschen einer sich schließenden Tür klang, fast als wollte sie meinem Drang nach Unabhängigkeit Beifall spenden. Katzen, dachte ich, waren ja auch sehr unabhängige Tiere, zumindest solange man nicht vergaß, sie ab und zu unterm Kinn zu kraulen, genau dort …
Charlies Augen öffneten sich plötzlich, und sie hob alarmiert den Kopf. Dann legte sie die Ohren an, machte einen Buckel und ließ ein helles, hohes Miauen ertönen.
»Um Himmels willen!« entfuhr es mir, als mein Herz, das einen Satz gemacht hatte, wieder normal zu schlagen begann. »Wirst du wohl damit aufhören? Ich werde noch zu einem nervlichen Wrack hier, wenn ihr Katzen so weiter … « Hier unterbrach ich mich, legte den Kopf schräg und lauschte ebenfalls.
Jemand kam die Kellertreppe herauf.
Es waren schwere Schritte, eindeutig die eines Mannes, doch alle Männer waren draußen am anderen Ende des Feldes. Ich wußte das genau, weil ich sie erst vor einer Viertelstunde dort zurückgelassen hatte. Nicht nur die Männer, sondern auch Fabia … und selbst Jeannie, die mir wegen des Anrufs Bescheid gesagt hatte, war dort geblieben, um dem Team bei der Arbeit zuzusehen. Ich hätte eigentlich allein im Haus sein müssen.
Aber die Schritte kamen näher, kamen mit lautem, festem Tritt die Treppe herauf.
Meine Gedanken überschlugen sich, als ich die Möglichkeiten durchging. Der Geist … o Gott, laß es nicht den Geist sein. Ein Einbrecher … ja, das war wahrscheinlicher und schien mir in meinem verwirrten Zustand weniger beängstigend. Mein Verstand arbeitete wieder normal und befahl meinen Beinen, sich zu bewegen, aber die Botschaft kam mit Verzögerung an, und in diesem Moment nahm der Mann die letzte Stufe und trat in die Eingangshalle.
Er schien bei meinem Anblick ebenfalls nicht wenig zu erschrecken, das mußte ich ihm zugute halten. »Heiliger Bimbam!« sagte er, erholte sich aber schnell und kam mit freundlich ausgestreckter Hand, die er sich zuvor an seinen Jeans abwischte, auf mich zu. »Verzeihung«, entschuldigte er sich mit einem Grinsen, »ich dachte, sie wären alle unten auf dem Feld. Sie müssen Miss Grey sein, hab ich recht? Mein Sohn erzählt ständig von Ihnen.«
Das also, dachte ich, war Brian McMorran. Ich betrachtete ihn neugierig, während wir uns die Hände schüttelten.
Er sah ganz anders aus, als ich erwartet hatte. Vor allem war er älter – fast vierzig, schätzte ich – und hatte mit viel Grau durchsetzte braune Haare und ein recht ansprechendes Gesicht. Er war nicht besonders groß, besaß aber die zähe, muskulöse Statur eines körperlich hart arbeitenden Mannes, und in einem Zweikampf hätte ich ihn nicht als Gegner haben wollen. Er trug einen Ohrring, was irgendwie unpassend wirkte; einen kleinen Goldring, der verwegen blitzte und einen Kontrast zu seinen grauen Schläfen bildete. Seine Unterarme, die aus den aufgerollten Ärmeln seines Flanellhemdes herausragten, waren mit dunklen Tätowierungen übersät.
Er ließ meine Hand los und fuhr sich leicht verlegen durch die Haare, wobei sich um seine braunen Augen überraschend charmante kleine Fältchen bildeten. Er sah überhaupt nicht wie ein Säufer oder Haustyrann aus, und es fiel mir schwer, mein vorgefertigtes Bild mit der Wirklichkeit
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