Die Geisterseherin (German Edition)
Ogasawara und Miu Furukawa aus meiner Klasse.“, rief sie erstaunt. Ja, sie hatte keine Zweifel. Der Rotschopf und die immer leicht braungebrannte Haut... das war eindeutig Makoto Ogasawara! Und dieses Mädchen mit den zwei Zöpfen an der Seite, das konnte nur Miu Furukawa sein!
„Klassenkameraden? Die Tochter der Furukawa Inc?“, fragte ihr Vater erstaunt.
„Ja...“
Sie stockte für einen Moment. Tochter der Furukawa Inc, einer der größten japanischen Firmen? Miu hatte tatsächlich den gleichen Nachnamen, aber irgendwie bezweifelte sie, dass das Mädchen eben die Nachfahrin jener Dynastie war.
Den Gedanken bei Seite schiebend, warf sie einen erneuten Blick auf das Foto. Lediglich das dritte Mädchen hatte sie noch nie zuvor gesehen, ein Mädchen im Kimono, welches wie Yuki ihre Haare rosa gefärbt hatte und eine Rose auf das Grab legte. Mikoto musste sich für einen Moment doch über die Haarfarbe wundern, schließlich war sie alles andere als alltäglich.
„Ach verdammt...“
Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Konnte es wirklich sein? War es wirklich möglich? Hatte sie wirklich so viel Glück, dass sie den Geist, nach dem sie suchte, sogar schon kannte?
Makoto wurde von einem Geist verfolgt, von einem Mädchen, dass einen Kimono und eine rote Lederjacke trug. Sie hatte gehört, wie er ihr Grab besuchen wollte.
Nein, da gab es keinen Zweifel.
Dieser Geist musste einfach das Mädchen sein, da war sich Mikoto sicher. Und wenn sie es war, dann konnte sie ihr bestimmt helfen. Es war einfach zu unwahrscheinlich, dass es noch einen weiteren Geist gab. Die Geschichte passte einfach zu gut. Das Mädchen musste Makoto's Freundin gewesen sein. Aus irgendeinem Grund kam sie von Kyoto nach Ichihara und stürzte sich kurz nach Weihnachten aus dem Fenster. Makoto setzte ihre Leiche bei und blieb in der Stadt, um ihr nahe zu sein. Miu könnte eine Freundin gewesen sein... und blieb deshalb auch in Ichihara. Vielleicht mochte sie ja auch Makoto und blieb wegen ihm hier? Wobei das nur Vermutungen waren, für die sie keine Beweise hatte.
Jedenfalls musste dann der Geist aufgetaucht sein und hängte sich an seinen Freund... und ein halbes Jahr später tauchte schließlich Mikoto in der Stadt auf.
Das klang nach sechs Richtigen im Lotto.
„Was auch immer deine Psychiaterin damit bezweckt, du wirst es wohl morgen in der Schule erfahren.“ Ihr Vater konnte über die Geschichte dennoch nur den Kopf schütteln. Er fragte sich, warum die Psychiaterin seiner Tochter Hinweise gab, die zu einer solchen Geschichte führten. Der Sinn darin blieb ihm unklar... und hätte er den wahren Grund für Mikoto's Neugier an dem Fall gewusst, dann hätte er vermutlich noch in der gleichen Nacht seine sieben Sachen gepackt und wäre mit der Tochter im Schlepptau nach Okinawa gezogen – oder noch weiter in den Süden.
Mikoto warf einen Blick auf die Uhr.
„Ich sollte ins Bett gehen, Vater. Es hätte eh keinen Sinn sich um diese Uhrzeit noch den Kopf zu zerbrechen.“
„Da hast du wohl Recht.“
Mikoto verließ das Zimmer, ließ ihren Vater alleine zurück, der mit einem fragenden Blick auf den Bildschirm starrte.
„Sie soll meiner Tochter diese Geister-Halluzinationen austreiben und sie nicht auf die Suche nach toten Leuten schicken... was denkt sich diese Frau eigentlich?“
Er schüttelte den Kopf und schaltete den PC aus. Morgen musste er arbeiten, langsam sollte auch er schauen, dass er ins Bett kam.
Zur gleichen Zeit stolperte eine Gestalt durch die leeren Gänge der Schule, nur vom fahlen Mond und den funkelnden Sternen beobachtet. Seine Schritte waren schnell, jedoch nicht zielsicher. Immer wieder warf die Person einen Blick über die Schulter, bis sie schließlich laut schnaufend an der Treppe zum dritten Stock stehen blieb.
Der ganze Gang war in ein bläuliches Licht gehüllt, nirgendwo brannte eine Lampe. Nur der Mond spendete ein wenig Licht. Der Mann fasste sich an sein Herz, verkrampfte die Hand und senkte kurz den Kopf, der Mund schmerzverzerrt.
„Verdammte Scheiße...“, fluchte er leise. „Zu viel Kraft verbraucht... ich brauche mehr Ruhe.“
Er fluchte erneut leise, doch da die Schule leer und keine Menschenseele anwesend war, konnte es niemand hören. „Wenigstens habe ich alles geschafft... die Bühne ist fertig und nur mein Startzeichen fehlt noch...“, murmelte er und setzte sich wieder in Bewegung, lief mal lachend und mal fluchend durch die Gänge und verschwand schließlich in einem der Zimmer.
Stille
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