Die Geisterseherin (German Edition)
war. Wo konnte er nur sein. Es war unmöglich, dass Momonari weit weg war. Er war sicherlich noch in der Schule, er musste es sein! Mikoto's Bauchgefühl sagte ihr das und sie vertraute darauf. Ihre Schritte führten sie in das alte Schulgebäude, in den Teil, in dem der KendoClub gewesen war. Man hatte den Raum vorläufig geschlossen, der Club selbst traf sich erst im nächsten Monat wieder. Der Raum müsste also leer sein, nur eine kleine goldene Tafel an der Tür erinnerte noch an die Clubchefin und ihr hartes Schicksal.
Als sie die Tür dennoch öffnete, fand sie etwas Fleischiges darin, eingehüllt in etwas, dass mal Blau gewesen sein könnte, doch jetzt mehr in dunklem Rot glänzte. Ein seltsames Paket aus Blut, Knochen und Fleisch, dass wohl irgendwann einmal ein Mensch gewesen sein mochte.
Doch dort, wo man eigentlich den Kopf vermutete, war nichts mehr. „Oh mein Gott...“, flüsterte sie und sank auf die Knie, kämpfte mit dem Würgereiz. Sie kannte dieses Kleid nur zu gut... das schillernde Blau, den feinen Stoff. Nur eine Person hatte es jemals getragen... Q'nqüra... Mikoto kam zu spät. Der Mann hatte sie umgebracht. Was hatte sie da überhaupt noch für eine Chance, wenn er jemanden, wie die Herrin der Zeit, töten konnte...? Ihr ganzer Mut verließ sie und plötzlich wollte sie nur noch weg, weit weg. Bis ans Ende der Welt, weg von all den Geistern und den Problemen dieser Stadt. Sie wurde rapide aus ihren Gedanken gerissen, als sie eine Anwesenheit hinter sich spürte. Unmöglich, dachte sie, wie konnte sich jemand so leise an sie heranschleichen...?
Mikoto wirbelte herum und erstarrte noch mitten in der Bewegung. „Sie...“
Hinter ihr stand niemand anderes als Kenji Momonari! Sein Gesicht schien faltiger und seine Haare grauer geworden zu sein. Die sonst so makellose Kleidung war feucht und glitzerte in einem tiefen Rot. In einer Hand hielt er etwas, dass Mikoto lieber nicht so genau betrachtete.
Sie hörte das Blut auf den Boden fallen. Tipp-Tapp tröpfelte es in die sich ausbreitende Lache unter seinen Füßen.
Mikoto zerrte ihre Sinne weg von dem Etwas, das der Mann in der Hand hielt und zwang sich ihm direkt in die eiskalten Augen zu blicken.
Sie leuchteten in einem seltsamen Grün und erst jetzt fiel ihr auf, dass ihn eine seltsame Aura umgab, eine Aura, die sie bislang nicht an ihm gespürt hatte, ihr dennoch seltsam vertraut vorkam.
Ja, sie kannte dieses seltsame Gefühl. Es musste lange her sein... viel zu lange. Doch sie würde es niemals vergessen...
Und plötzlich sah sie es vor sich... der Moment, als sie die Aura gespürt hatte. Sie war nur ein kleines, unschuldiges Mädchen gewesen, dass paralysiert neben der Leiche ihrer Mutter gestanden hatte. Sie hatte den blutigen Zipfel des Kleides in der Hand gehabt, dass ihre Mutter so selten trug. Damals... da hatte sie etwas gespürt, aber sie hatte es nie einordnen können. Sie wusste nie, was es war und fühlte es bis heute nie wieder.
Es musste mit ihm zu tun gehabt haben!
„Ich... erkenne dich.“, stotterte sie verwirrt und der Mann vor ihr grinste, präsentierte die makellos weißen Zähne, welche einen starken Kontrast zu seinem blutverschmierten Gesicht zeichneten. „4 Jahre sind eine lange Zeit.“, sprach er. „Es gleicht einem Wunder, dass du dich erinnerst, Geisterseherin.“
Er ließ das... Ding fallen, dass er in der Hand gehalten hatte. Mikoto schenkte es jedoch keine Beachtung, sie hatte das Gefühl, dass sie den Verstand verlieren würde, wenn sie es auch nur ansah. Trotzdem ließ das dumpfe Aufschlagen sie innerlich zusammen zucken. „Kannst du denn töten, wenn ich dein Gegner bin?“, fragte er sie mit einer müden Stimme. Er grinste noch immer, doch seine Augen strahlten eine unendliche Müdigkeit aus, die in einen krassen Gegensatz zu dem, was er sagte, standen.
„Wer bist du...?“
„Ich... ich bin der Magus, Kenji Momonari. Ich bin der Mann, den du suchst. ICH bin der Mörder deiner Mutter.“
„Was...?“ Mikoto wusste zuerst nicht, wie sie reagieren sollte. Wie lange hatte sie auf den Moment gewartet, in dem sie ihrer Mutter helfen konnte. Und jetzt soll dieser Mann sich als ihr Mörder offenbart haben? Einfach so? Es fiel ihr schwer, das zu glauben. Aber sie erkannte dieses seltsame Gefühl von damals wieder... konnte es wirklich sein?
Er hatte ihre Mutter getötet und er war der Mann gewesen, der diese Seelen auf sie hetzte. Ein Magus... sicherlich hatte er auch Q'nqüra's Bücher verzaubert...
„Kannst
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