Die Geisterseherin (German Edition)
Sie verbarrikadierte sich regelrecht in darin, stellte den Stuhl vor die Tür – obwohl sie diese abgeschlossen hatte und nutzte das bisschen Platz, das sie hatte, nur dafür, ihr Schwert in einigen KendoÜbungen bei extrem lauter Musik durch die Luft zu schwingen. Dabei schmetterte sie einmal ihre Uhr vom Nachtisch und schlug drei weitere Kerben in ihren Schreibtisch.
Sie war sauer und verzweifelt. So hätte es niemals ablaufen sollen, dieser Gedanke ging ihr immer und immer wieder durch den Kopf. Aber was hätte sie tun sollen? Was für eine Möglichkeit hätte sie gehabt? Sie wünschte sich mehrfach, dass ihr Leben wie ein Videospiel wäre, bei dem man einfach einen älteren Spielstand laden und sich anders entscheiden konnte, um zu sehen, wie sich die eigene Geschichte dann entwickelt hätte.
Nur wie hätte sie anders reagieren sollen?
Meist fielen einem die besten Argumente ja erst dann ein, wenn es zu spät und der Streit zu Ende war. Aber dieses Mal geschah das einfach nicht... selbst am Abend noch hatte Mikoto keine Ahnung, wie sie anders hätte reagieren können, um ihren Vater zu überzeugen, dass sie Geister wirklich sah.
Aber selbst, wenn ihr etwas einfiele, die Würfel waren längst gefallen. Jede ihrer Entscheidungen war endgültig... und sie hätte es eigentlich besser wissen müssen. Ihr Vater war Wissenschaftler, kein Geld der Welt würde ihn davon überzeugen, dass Geister, Magie, Götter und solches Zeug existieren. Sie hatte verloren gehabt, bevor sie überhaupt angriff...
Mikoto hätte den Abend eigentlich nutzen können, um für die Schule zu lernen. Doch sie tat es nicht, obwohl sie sich selbst bewusst war, dass es wohl besser wäre. Aber diese Verweigerung sah sie als einen kleinen Triumph gegen ihren Vater an. Er hatte ihr den Hausarrest gegeben, damit sie mehr für die Schule lernte. Indem sie das nun nicht tat, rächte sie sich ein klein wenig dafür, dass er ihr nie glaubte.
Yujiro hatte gerade zum Haustelefon gegriffen, als es plötzlich aus Mikoto's Zimmer dröhnte. Er seufzte kurz, wusste jedoch, dass es keinen Sinn hatte, seiner Tochter jetzt zu sagen, dass sie ihre Musik leiser stellen sollte.
Ihm blieb im Moment nur die Möglichkeit, mit dem Telefon sich in die ruhigste, am weitesten von Mikoto's Zimmer entfernte, Ecke der Wohnung zu begeben.
„Wieso nur...?“
Er verstand es einfach nicht mehr, wie sollte er es auch verstehen? Wie viele Psychiater hatte er schon auf seine Tochter gehetzt... wie viele Stunden hatte sie auf irgendwelchen Liegen verbracht, statt das zu tun, was jede andere Jugendliche in ihrem Alter tun sollte? Wieso konnte sie nicht einfach nur ein normaler Teenager sein? Es wäre so schön, wenn die einzigen Probleme ein zu langer Aufenthalt bei einer Party oder ein ihm nicht genehmer Freund wären.
Wenn sie nur mal betrunken nach Hause käme... Verdammt, langsam wäre ihm sogar lieber, er würde sie mit einem Joint erwischen... Mit etwas klammen Fingern wählte er die Nummer jener letzten Psychiaterin, zu der er seine Tochter geschickt hatte. Die Frau hatte, wie auch alle vor ihr, auf ganzer Linie versagt. Sie hatte seiner Tochter diese Geistergeschichten endlich austreiben sollen, damit sie endlich aufhörte, in der Vergangenheit zu leben und wieder frei in die Zukunft blicken konnte! In eine bessere Zukunft... Und doch... hatte sie – nach nur wenigen Wochen – bereits wieder von Geistern geredet. Am Anfang schien es doch so gut gewirkt zu haben...
Das Telefon klingelte einige Male, bis Q'nqüra abnahm.
„Guten Tag, Herr Sugisaki.“, klang es aus dem Telefon.
Sie meldete sich freundlich, vermutlich lächelte sie dabei sogar. Aber dieses Lächeln würde schon bald erstarren, dachte sich Yujiro bei sich. Die anderen Psychiater hatten es wenigstens geschafft, seiner Tochter diese Halluzinationen für einige Zeit auszutreiben. Aber diese Frau... wie lange war er jetzt hier?
Ein paar wenige, kurze Wochen!
„Wie schön, dass ich Sie gleich ans Telefon bekomme, Frau... Q'nqüra.“, grüßte er sie, sich jetzt erst bewusst werdend, dass er nur diesen Namen kannte und nicht einmal wusste, ob es nun ihr Vorname oder ihr Nachname war.
„Was kann ich denn für Sie tun?“
Wie komisch, dachte er bei sich. Sie klang bei dieser Frage zwar freundlich, dennoch hatte er das Gefühl, als würde ihm Eiseskälte entgegen schlagen... als wüsste die Frau bereits, warum er sie anrief. „Also... ähem...“
Er begann, nervös zu werden, schloss kurz die Augen und schüttelte
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