Die Geisterseherin (German Edition)
Tür zu ihrem Zimmer.
Draußen auf dem Flur war es dunkel, kein Licht brannte mehr im Haus. Auch ihr Vater schien nicht in der Stube zu sein.
Dennoch schlüpfte sie schnell ins Bad, um sich dort die Zähne zu putzen. Vielleicht war ihr Vater ja in seinem Arbeitszimmer, dessen Tür wie immer verschlossen war und sie wollte ihm an diesem Abend wirklich nicht mehr begegnen. Darum schrubbte sie sich die Zähne auch mit einer normalen Handzahnbürste, statt die bessere, aber lautere elektrische Zahnbürste zu nutzen. Die hatte eh seit einiger Zeit eine Macke, der Motor dröhnte manchmal so laut, dass man ihn noch ein Zimmer weiter gut hören konnte.
Vermutlich starb das Gerät demnächst.
Die Mühen waren jedenfalls unnötig, wie sie kurz darauf feststellte. Die Wohnung war leer, wo immer ihr Vater auch war, er war nicht hier.
„Nanu?“
Sie warf erstaunt einen Blick in die leeren Zimmer. Das war wirklich seltsam... sie hätte darauf wetten können, dass er an diesem Abend schön säuberlich darauf achtete, dass sie zuhause blieb, aber als sie neugierig durch das Wohnzimmer zur Haustür ging, stellte sie sogar fest, dass sie nicht verschlossen war.
Total untypisch für ihren Vater...
„Das ist aber wirklich seltsam...“
Ihr Magen meldete sich knurrend und sie warf hungrig einen Blick in die Küche, ignorierend, dass sie gerade erst ihre Zähne geputzt hatte. Außerdem hatte sie seit dem Morgen nichts mehr gegessen. Das Curry stand – nun eiskalt – noch immer unangetastet in der Küche und Mikoto nahm sich hungrig einen Teller davon.
„Mutter?“
Beim Anblick des Currys rief sie kurz nach ihrer Mutter, um zu überprüfen, ob diese ebenfalls fort war... und dem schien auch so. Zumindest meldete sich niemand auf ihren Ruf.
Vermutlich war Yujiro irgendwo hin gegangen und seine tote Frau hatte ihn, ohne dass er es bemerkte, begleitet...
Mikoto war das Recht, so konnte sie wenigstens in Ruhe etwas essen. Es hätte ihrer Figur zwar sicherlich nicht geschadet, wenn sie ohne Essen schlafen gegangen wäre, aber satt zu sein, fand sie dann doch schöner. Außerdem hatte sie mit dem Gerenne am Vorabend ja wohl genug Kalorien verbrannt, um sich jetzt einen richtig großen Teller gönnen zu dürfen.
Als sie schließlich eine halbe Stunde später mit dem Essen fertig war, räumte sie die Reste in den Kühlschrank, damit sie nicht schlecht wurden und warf dann einen Blick auf die Uhr.
„Kurz vor 22 Uhr...“, murmelte sie an sich selbst gewandt. Steve war jetzt sicherlich auf dem Weg in die Oper... im feinen Smoking, herausgeputzt, wie so ein Bonzen-Sohn. Ein Anblick, den Mikoto gerne mal gesehen hätte. Sie biss sich bei dem Gedanken auf die Lippen, weil sie nur zu gerne mitgegangen wäre. Aber auch wenn sie keinerlei Lust mehr hatte, auf ihren Vater zu hören, so wollte sie ihre Situation nicht unnötig verkomplizieren. Steve fand sicherlich jemand anderen, der mit ihm dort hin ging... er war immerhin nicht der hässlichste Junge der Klasse.
Außerdem... was sollte sie hier noch groß tun, ihr Vater würde eh in ein paar Tagen wieder die Koffer packen. Es war also sinnlos, sich weiter mit den Geistern und anderen Begebenheiten dieser Stadt zu beschäftigen.
Aber nur für den Fall, dass er niemanden hatte... Diese Feier war doch wichtig, hatte er gemeint, oder? Was würde er dann tun?
Mikoto kratzte sich verlegen am Kopf und musste zugeben, dass sie eigentlich doch hingehen wollte, egal wie die Konsequenzen aussahen. Die Sache ließ sie einfach nicht mehr los.
Ob sie sich heimlich dorthin schleichen sollte? Den Ärger riskieren? Schlimmer konnte es doch eh nicht mehr kommen, oder? Aber was war, wenn Steve jemanden anderes hatte? Oder gar nicht erst auftauchte? Dann stand sie wie eine Idiotin da...
In dem Moment, in dem sie das dachte, läutete die Klingel an der Tür und ließ Mikoto, die noch immer unschlüssig im Wohnzimmer herumgammelte, erschrocken zusammenzucken.
Ihr Vater hatte doch einen Schlüssel, er brauchte doch nicht zu klingeln, oder? Und ihre Mutter brauchte auch nur durch die Tür schweben... Wer sollte denn sonst um diese Uhrzeit...
„Steve...?“
Sie war ehrlich gesagt etwas überrascht, sie hatte ihm doch schließlich gesagt gehabt, dass sie Hausarrest hatte. War er dennoch gekommen? Neugierig ging sie an die Freisprechanlage und meldete sich. „Sugisaki?“
Sofort kam krächzend und knarzend die Antwort durch den billigen Lautsprecher der Anlage.
„Hey, Mikoto... ich bin es Steve. Ich weiß... du hast
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