Die Geisterseherin (German Edition)
nach ihrem Verschwinden. Es war wirklich fast so, als wäre die Welt im Chaos versunken, weil sie verschwand.
Naja, tat sie ja auch, dank diesem verdammten Virus...
Und jetzt, wo sie wieder da war... was hatte sie gesagt? Vielleicht konnte man sogar die Welt retten...
Dieser eine Satz reichte Kinoshita um neue Hoffnungen zu schöpfen. Dieses Mädchen hatte einen Plan und er war Teil von ihm... von etwas größerem. Und alles, was er tun musste war, diese Q'nqüra zu finden. Auch, wenn es bedeutete, dass er in die Höhle des Löwen musste... zu seiner ehemaligen Arbeitsstelle.
Er ließ den Löffel sinken und schüttelte den Kopf. Er hatte sie seit seiner Zwangspensionierung gemieden, außerdem verließ er sie damals nicht gerade mit positiven Worten. Zu gut erinnerte er erinnerte sich noch daran, wie er damals im Büro seines Chefs stand, die vorzeitige Pensionierung in der Hand...
„Chef, das ist doch wohl ein Scherz!“, hatte er ärgerlich gerufen und mit dem Zettel herum gewedelt. Doch seinen Chef hatte das nicht interessiert. Er hatte ganz ruhig in seinem Sessel gesessen. „Nehmen Sie mir das nicht persönlich, Herr Kinoshita...“, hatte er gesagt. „Sie sind ein guter Polizist, aber Sie lassen mir keine andere Wahl. Ich hatte Sie von dem Fall abgezogen und ihn eingestellt, erinnern Sie sich?“
„Zu Unrecht, wenn ich das mal sagen darf, Chef! Dort draußen wartet irgendwo ein junges Mädchen auf uns! Was sind wir für Polizisten, wenn wir Hilfesuchende einfach ignorieren?“
In diesem Moment war sein Chef aufgestanden und hatte ihm mit fester und lauter Stimme gesagt: „Dort draußen sterben jeden Tag tausende von Menschen. Dieses Mädchen, dass sie so sehr suchen wollen, ist mit Sicherheit schon längst tot, vermutlich war sie sogar eines der ersten Opfer dieses Virus. Die Menschen interessieren sich nicht mehr für das Schicksal eines einzelnen Mädchens, wir werden jetzt anderswo gebraucht!“
„Dann, Chef, hat jeder einzelne von euch seinen Beruf verfehlt!“ Mit diesen Worten war er wütend aus dem Büro gestürmt und hatte es seitdem nicht mehr betreten.
Sein Partner damals, ein junger Polizist, der noch nicht lange bei der Polizei gewesen war, war der einzige, der ihn damals noch einmal besucht hatte... um ihm seine Sachen zu bringen, die er in der Polizeistation gelassen hatte und um ihm seine Dienstmarke und seine Dienstwaffe abzunehmen.
Kinoshita stellte mit eisernem Blick sein Geschirr in die Spüle, schnappte den Koffer und verließ dann das Haus. In seinen Gedanken ging er die bald folgende Situation durch. Das erste Mal seit bald 20 Jahren würde er seinen alten Arbeitsplatz aufsuchen. Er wusste nicht, was ihn dort erwartete, ob sein Chef dort noch immer das Sagen hatte oder ob seine alten Kollegen inzwischen alle ersetzt worden waren. Wenn er ehrlich war, dann hoffte er letzteres. Er hatte keine Lust auch nur eines der Gesichter von früher wieder zu sehen, aber er musste es. Für Mikoto...
„Ich hoffe, dass sie weiß, was sie da von mir verlangt...“, murmelte er, als er, eine gute Stunde später, das alte Polizeigebäude von Ichihara betrat. Jenes Gebäude, in dem er so lange gearbeitet hatte... und das sich in all der Zeit kein bisschen verändert hatte.
Mit einem seltsamen Gefühl im Magen grüßte er an der Pforte die Dame, die, im Gegensatz zum Gebäude, in all der Zeit ausgetauscht worden war. Statt der alten schrulligen aber doch irgendwo netten Dame von damals, saß nun eine junge Göre dort, aufgetakelt und mit einem Ausschnitt, der klar zu verstehen gab, dass sie nicht wegen ihrer beruflichen Qualifikation eingestellt worden war.
„Halt! Moment mal! Sie dürfen hier nicht durch!“, rief sie ihm nach, machte aber keine Anstalten ihn aufzuhalten. Dabei hätte sie sich ja den Nagellack ruinieren können, den sie gerade, als er herein kam, so sorgfältig am Auftragen war.
Ungebremst stieg er die Treppe hinauf und gelangte schließlich in den Teil der Polizei, in der er früher auch sein Büro hatte.
Es war ziemlich leer geworden... aber noch arbeiteten hier Polizisten. Bereits auf den ersten Blick erkannte er ein paar Leute wieder. Und sie ihn... er war nur für ein paar Sekunden dort, als ihm sein alter Partner entgegen kam – inzwischen selbst ein Mann im mittleren Alter
– und ihm am Arm packte, um ihn unsanft in eines der leeren Büros zu zerren.
„Verdammt, lass mich los, du verdammter Idiot!“, knurrte er seinen alten Partner an und versuchte sich loszureißen.
„Ich
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