Die Geisterseherin (German Edition)
oder wegen dem Mädchen... sondern wegen dir, damit du endlich zur Ruhe kommst.“
„Keine Angst, ich werde die Wahrheit ans Licht bringen.“ „Tu, was du nicht lassen kannst.“
Kinoshita öffnete die Tür des Wagens, stellte seine Tasche hinein und kletterte selbst auf den Fahrersitz. Es war lange her, seitdem er das letzte Mal in einem Auto gesessen war, doch als er das Lenkrad berührte, da waren all die vielen Erinnerungen an seine Zeit als Polizist wieder da.
„Auf Wiedersehen... Partner.“
Mit diesem Worten startete er den Wagen und fuhr vom Parkplatz der Polizeianstalt. Er blickte nicht zurück, nicht einmal einen Blick in den Rückspiegel gönnte er sich, da er wusste, dass er das nicht aushalten würde.
Er mochte noch immer den coolen Typen mimen können, aber innerlich war er durch diesen Besuch dennoch ungeheuer aufgewühlt worden. Insgeheim hatte er sich in all den Jahren oft genug gewünscht, wieder zurück in den Dienst zu können.
Aber die Zeit war vorbei, vor allem heute... 20 Jahre nach seiner Entlassung. Inzwischen wäre er so oder so im Ruhestand. Die Zeit, die er als Polizist dem Land gedient hatte, kam nie wieder zurück. Er schluckte einmal fest und lenkte den Wagen auf die große Hauptstraße und von dort aus auf die Straße nach Osaka. Es würde eine lange Fahrt werden, dachte er bei sich, während er sich mit dem Ärmel über das Gesicht wischte.
Im Prinzip war er gerade wieder etwas, dass einem Polizisten sehr nahe kam. Er ermittelte im Auftrag der Gerechtigkeit – zumindest war er davon überzeugt das Richtige zu tun – und er würde zu diesem Zweck diverse Nachforschungen anstellen, wie in den guten alten Zeiten.
Vielleicht kam es zu einem Verhör oder einer spannenden Verfolgungsjagd mit dem Auto. Eventuell geriet er sogar in eine Schießerei oder musste ganz klischeehaft einen Nachtclub besuchen, um dort Informationen zu bekommen.
Ein Lächeln huschte über seine Lippen, während er das Gas so richtig durch trat.
Auf dem Papier mochte er zwar kein Polizist mehr sein, aber das hielt ihn nicht davon ab, sich wie einer zu fühlen!
Der Plan war schön und gut und wäre im Normalfall auch aufgegangen. Bedachte man, dass einem in dieser Zeit nur sehr selten andere Autos auf der Straße begegneten und damit selbst im Großraum Tokio das Wort Stau nirgends fiel, dann konnte man locker davon ausgehen, dass man die Strecke von Ichihara zum Gefängnis von Osaka in gut 5 Stunden erreichen konnte. Und da Kinoshita bereits vor dem Mittagessen losgefahren war, würde diese Reise eigentlich, inklusive Pause für das Mittagessen, also spätestens 17 Uhr ihr Ende finden.
So war die Theorie, in der Praxis sah das jedoch ganz anders aus und Kinoshita merkte sehr schnell, dass er das Ziel dieser Etappe wohl erst am späten Abend erreichen würde. Er hatte simpel und einfach sein Alter nicht mit eingerechnet, sowie die Tatsache, dass er seit Jahren kein Auto mehr gefahren war. Dazu kam, dass die Straße nicht ganz so leer war, wie er vermutete, auch wenn die meisten Autos nur herrenlos auf der Straße standen, weil sie niemand nach einem Unfall mehr abgeholt hatte oder es keiner für nötig hielt die Straße überhaupt noch leer zu räumen.
Dies, zusammen mit der Tatsache, dass Kinoshita wegen altersbedingten Rückenproblemen bereits nach einer Stunde Fahrt wirklich Probleme bekam und eine Pause einlegen musste, führten dazu, dass sich der Zeitpunkt, an dem er das Ziel seiner Reise erreichte, immer weiter hinaus zögerte.
Die Sonne begann bereits langsam unter zu gehen, die Bucht von Tokio und die Stadt selbst hatte er seit vielen Stunden hinter sich gelassen, als er wieder einmal eine Pause machte, den Wagen auf den Standstreifen lenkte und erschöpft ausstieg, um Wasser zu lassen und sich selbiges in Flaschenform wieder zuzuführen. Anschließend lehnte er sich gegen den Wagen und starrte auf das Meer hinaus, dass sich fast die gesamte Fahrt über zu seiner linken Seite erstreckt hatte. Ein altes Schiffswrack lag im Wasser, halb zerborsten und verrostet. Ein Luxusschiff und Überbleibsel einer scheinbar schon älteren Katastrophe, von der er nicht einmal etwas im Fernsehen oder im Radio gehört hatte.
„Liegt wohl doch noch nicht so lange dort, auch wenn er so aussieht...“, brummte er und starrte in Richtung der untergehenden Sonne.
„Verdammt, du wirst alt...“
Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass das Gefängnis inzwischen keine Besucher mehr empfing und ohne Polizeimarke war er nun
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