Die Geisterseherin (German Edition)
Furukawa's Zeitenbuch gab es kleinere Anomalien.
Miu Furukawa befand sich derweil nicht weit weg von der Pension Minshuku Okinawa Jikan in einem hastig aus Sperrholzplatten zusammengezimmerten Backstagebereich einer kleinen, ebenfalls eher krude zusammengeflickten Bühne und ließ sich von einer professionellen Stylistin für ihren Auftritt vorbereiten, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob sie überhaupt etwas sagen musste. Vorsichtshalber hatte sie dennoch ein paar kleinere Informationen zur beschlossenen Schließung einer ihrer Produktionszweige bereit gelegt, nur zur Sicherheit.
Sie hatten eine wirklich nur kleine Bühne, mehr einem Podium gleich, aufgebaut und das Logo ihrer Firma, ein verschnörkeltes „F“, prangte an jedem einzelnen Teil der Bühne. In der Mitte befand sich der Rednerpult. Der hintere Teil der Bühne wurde von dicken blauen Vorhängen abgeschirmt, welche die Sperrholzplatten, aus dem der Backstagebereich bestand, an dem sie nun saß, verbargen. „Haben Sie eine schwarzhaarige Frau unter den Reportern gesehen?“, fragte sie zum wiederholten Mal innerhalb der letzten 30 Minuten ihren Leibwächter.
„Einige, aber keine traf die nähere Beschreibung.“, antwortete ihr dieser wieder, nachdem er kurz durch den Ausgang blickte und einen Blick auf die Bühne geworfen hatte.
„Hmmm...“
„Frau Furukawa, wenn Sie einen Anschlag erwarten, dann sollten Sie uns vorher Bescheid geben!“
Miu winkte ab. Nein, einen Anschlag erwartete sie nicht. Um ehrlich zu sein, sie wusste nicht, was sie erwarten sollte. Vermutlich war sie genauso gespannt, was auf dieser Konferenz passieren würde, wie jeder andere auch. Eventuell sogar noch mehr...
„Frau Furukawa, es wird langsam Zeit...“, mahnte der Leibwächter, ein kräftiger Mann mit Glatze und massiver Sonnenbrille, sie und deutete dabei auf seine teuer aussehende Uhr.
„Ich weiß...“, bestätigte Miu mit einem letzten Blick auf die Uhr. Dann stand sie auf und warf noch einen Blick in den Spiegel. „Ich sehe schrecklich aus...“, murmelte sie, woraufhin ihr Bodyguard betonte, dass dies nicht so sei und ihre Visagistin sich ein wenig beleidigt zurück zog.
Nein, Miu mochte sich und ihr Aussehen schon lange nicht mehr. Sie fand, dass sie alt aussah, der Stress der letzten zwanzig Jahren hatte sichtbare Spuren hinterlassen. Spuren, die tiefer waren, als sie in ihrem Alter sein sollten. Dabei war sie an sich keine hässliche Frau... „Gehen wir...“, sprach sie schließlich an den Bodyguard gewandt und eilte nahezu gleichzeitig an ihm vorbei in Richtung Bühne. Die beiden betraten kurz darauf zusammen die Bühne, nur dass der Bodyguard im Hintergrund stehen blieb und sich vorsichtig an die, von den Vorhängen verdeckten, Sperrholzplatten lehnte. Miu lief währenddessen unter einem Blitzlichtgewitter zu dem einzelnen Mikrofon und warf einen Blick in die Menge.
Die meisten Anwesenden waren Journalisten verschiedener, vor allem größerer Nachrichtenagenturen, wobei die Anzahl ihrer in den letzten Jahren immer geringer geworden war. Sie konnte allerdings noch immer die Logos der größten Nachrichtenagenturen des Landes ausmachen. Einige Gäste der angrenzenden Familienpension waren ebenfalls neugierig erschienen, nachdem sie mitbekommen hatten, dass hier eine wichtige Pressekonferenz stattfinden sollte. Unter diesen und einigen zufällig vorbeilaufenden Passanten fand Miu noch ein weiteres ihr bekanntes Gesicht..
Q'nqüra, die Herrin der Zeit, stand mit der Stirn runzelnd und mit verschränkten Armen unter den Zuschauern, obwohl sie gar nicht anwesend zu sein brauchte, um mitzubekommen, was hier geschah. „Darum also das Minshuku Okinawa Jikan...“, murmelte Miu, die in diesem Moment die seltsame Wahl des Konferenzortes begriff. Mikoto wollte allem Anschein nach die Herrin der Zeit persönlich vor Ort haben, nicht nur ihren wachen Blick.
Aber warum?
Sie konnte unmöglich gegen die Herrin der Zeit offen vorgehen. Wenn sie auf dieser Bühne auftauchte und die Herrin der Zeit ihre Gestalt durch die Bücher der anwesenden Menschen erkannte, dann würde Mikoto's jetzige Tarnung fallen. Sie würde verletzbar werden... vielleicht würde Q'nqüra sie auch töten... so, wie sie es vor vielen Jahren bereits probiert hatte.
„Guten Tag, sehr geehrte Damen und Herren.“, sprach sie die Menge, inzwischen doch etwas nervös, an.
„Vielen Dank dafür, dass ihr heute so... zahlreich für diese kleine aber dennoch ungeheuer wichtige Pressekonferenz erschienen
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