Die Geisterverschwoerung - Mara deckt auf
dich â zumindest bis in die Nähe. Eine junge Dame sollte nicht allein unterwegs sein.«
Das »Spukhaus«, wie Mara es nannte, seit sie denken konnte, war ein Teil ihrer Kindheit. Es stand am Ende einer einsamen StraÃe, die dort in einen Waldweg überging, nur ein paar hundert Meter vom Haus ihrer GroÃeltern entfernt. In vielen Sommerferien, die sie früher immer bei Oma verbracht hatte, war es eine gruselige Mutprobe für sie gewesen, sich quer durch die Gärten, durch hohes Gras und dichte Büsche anzuschleichen, um es anzustarren. Auch diesmal spürte sie dasselbe Kribbeln wie früher in ihrem Bauch, als sie sich dem Haus näherte. Aber da war noch ein anderes Kribbeln â in ihrem Nacken. Als würde sie beobachtet, und das schon eine ganze Weile.
An der nächsten StraÃenecke bückte sich Mara nach ihrem Schnürsenkel und sah sich dabei unauffällig um. Da! Nur wenige Meter von ihr entfernt raschelten die Zweige einer Hecke, als wäre gerade jemand dahinter gesprungen.
»Emilia!«, zischte Mara. »Kannst du mal nachsehen, ob da jemand ist?«
Das Geistermädchen wirkte etwas ängstlich.
»Wer auch immer es ist, er kann dich doch nicht sehen«, beschwichtigte Mara, und schlieÃlich flog Emilia los.
Nach wenigen Sekunden war sie zurück. »Die Hecke wird nicht vom Wind bewegt â sondern von deinem Lieblingsfeind Lucas. Er sitzt in seinem Versteck und starrt auf so ein kleines graues Kästchen, auf dem eine StraÃenkarte aufleuchtet.«
Für Emilia war jede Art von Technik einfach ein »kleines Kästchen« oder ein »groÃer Kasten«. Näher wollte sich das Mädchen aus dem achtzehnten Jahrhundert mit den Errungenschaften der Gegenwart nicht beschäftigen.
»Hm, er hat also ein Navi. Selbst wenn ich ihn früher bemerkt hätte, hätte ich ihn dann wohl nicht abhängen können. Er kennt ja die Adresse von der Visitenkarte.« Mara seufzte. »Na egal, dann weià er eben, dass ich hingehe. Er wird sich schon irgendwann wieder verziehen. Und du, Emilia, solltest jetzt auch mal nach Hause gehen. Wir sind fast da.«
Sie wies nach vorn. Aber sie hätte Emilia gar nicht zeigen müssen, welches Haus es war. Wenn man sich unter dem Wort »Spukhaus« bis dahin nichts hätte vorstellen können â nach diesem Anblick konnte man es. Emilia schwang abrupt herum und winkte. »Ich warte in der Nähe auf dich.«
Das Haus mit den vielen Giebeln und Türmchen mochte früher einmal hübsch gewesen sein, auf jeden Fall originell, aber schon seit Jahren lag ein düsterer Hauch von Verfall darüber: Teile der Dachschindeln waren heruntergefallen, zwei Fenster im Obergeschoss zerbrochen. Die mit Holzbrettern verkleideten AuÃenwände, die früher einmal hellgrün gewesen waren, wirkten jetzt schmutzig-grau und ziemlich morsch. Der Architekt schien auf jeden Fall eine Vorliebe für Schnörkel und Verzierungen gehabt zu haben. Das komplette untere Stockwerk wurde von einer Veranda umrahmt, die auf beide Seiten einer einsamen Kreuzung blickte. Ãber der Eingangstür reckte sich ein kleiner Turm mit einem Kuppeldach empor. Die runden Fenster im Turm erinnerten an die Bullaugen eines Schiffes. Oder einfach nur an Augen.
Mara lief geradewegs auf das Haus zu, wobei ihre Knie mit jedem Schritt weicher wurden. Was hatte sie sich bloà gedacht? Sie konnte doch nicht einfach klingeln und fragen, ob sie reinkommen könnte  ⦠Was sollte sie bloà sagen? Hallo, ich kann übrigens Geister sehen. Würden Sie mir bitte alles über sie erzählen, was Sie wissen? Klang nicht gerade nach einem gut durchdachten Plan.
Zögernd öffnete sie das schiefe Gartentor, und im selben Moment war ihr, als würde der Himmel ein wenig dunkler und die Luft ein bisschen kühler. Die Stufen zur Veranda knarrten unter ihren Schuhen. Mara versuchte, die FüÃe so leise wie möglich aufzusetzen, aber ohne Erfolg. Im nächsten Moment wurde die Tür mit Schwung aufgerissen und Frau de Santis starrte sie an. Zunächst erwartungsvoll, dann enttäuscht.
»Oh! Du bist wohl nicht der Paketdienst, oder?«
Mara schüttelte wortlos den Kopf, und eine steile Falte bildete sich auf der Stirn der Frau.
»Was möchtest du denn von mir?«
Mara schluckte, ihre Kehle schien zu trocken für Worte. »Ich hab  ⦠Ihr Schild gelesen, und da wollte ich
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