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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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zwischen den Pornografien und seiner Besucherin hin und her wandern, fragte, ob sie jetzt einen Likör wolle, er habe noch welchen von seiner Mutter aus Tilsit. Sie lebe nach der Trennung von seinem Vater wieder dort. An seinem Geburtsort Tilsit. Ein echter ostpreußischer Pomeranzenlikör, Gnädigste. Sehr zu empfehlen.
    Emma, wissen wir, ist eine Verehrerin von Likören, sie sagte: Ja, geben Sie mir ein Gläschen! Sie streckte den Arm aus, trank, oh, der schmeckt, da würde sie noch ein Gläschen nehmen … danke, hm, hm, wirklich gut. Sofort bekamen ihre Wangen jenen roten Flaum, ihre Züge glätteten sich.
    Lebius sah seine Absichten aufgehen, er begann, noch ein paar Augenblicke weiter verstohlen grinsend, von seinen Geschäften zu sprechen, schmutzigen Geschäfte zum Teil, die einem Redakteur wie ihm leider nicht erspart blieben und die manchmal gefährlich wären, nein, nicht für ihn, sondern für seine Auserwählten, was an der Brisanz und der Sprengkraft ihrer Verfehlungen läge, die er bei seinen Recherchen aufdecke.
    „Ich könnte so manchen Mann auffliegen lassen“, sagte er und seine Augen bekamen einen stählernen Glanz. Er nannte im Flüsterton Beispiele, Namen, sprach vertraulich, redete von Absichten und Hoffnungen, von der Möglichkeit von Fehlschlägen. Einen Moment lang fragte sich Emma, warum dieser Mann ihr dies alles sagte. Will er mich zu seinem Kumpan machen? Und es war ihr unangenehm, doch dann, einen Augenblick später, gefiel ihr seine lässige, verschwörerische Art, es amüsierte sie sogar, auf diese Weise Mitwisserin zu werden. Der Likör, sie hatte inzwischen ein weiteres Gläschen getrunken, tat seine Wirkung, sie hörte Lebius leise kichernd zu. Der sagte: Meine Mission ist reizvoll, sie reichert die Langeweile ringsum an, löst sie auf, befriedigt meine Neugier, meine Abenteuerlust. Mancher würde vielleicht von Spionage oder Schlüssellochdiplomatie quasseln, pathetisch Veranlagte von Feme oder Rachegelüsten. Wir Berliner sagen: Mir ist das schnuppe! Was soll daran schlecht sein? Menschen überlisten ist doch eine reizvolle, anregende Tätigkeit, und wenn man dafür noch Geld bekommt und Leute gewinnt, die sich extra eine Zeitung kaufen – was ist da unmoralisch?
    Wie sie Herrn Adalbert Fischer finde, fragte Lebius unvermittelt, fragte die arglose, kichernde Frau in verhaltenem Ton. Und, da sie nicht gleich antwortete, ergänzte er, sie wisse schon, der Nachfolger des ehemaligen Verlegers Ihres Mannes. Oder die Pauline Münchmeyer? Der ihr Mann Karl May jetzt so übel mitspiele … was sie von der halte?
    Emma, wegen des Likörs, wegen ihrer Gefühle oder wegen beidem von einer Röte überzogen, begann zu schluchzen. Pauline!? Ach, die Arme. Das war ihr wunder Punkt, sie liebte ihre alte Freundin, liebte sie, wollte sie bewahren vor Karls Rache und Forderungen, sie, mit der es sich so wunderbar plauderte, mit der sie lange Spaziergänge unternommen, so manche spiritistische Sitzung abgehalten hatte, die immer so einfühlsam und zärtlich zu ihr gewesen war, mit der sie alles bereden konnte, ihre geheimsten Wünsche …
    Und mitten hinein in ihren Jammer hörte sie den Redakteur sagen: Er wolle ihr helfen, er habe von den Feldzügen erfahren, die ihr ehemaliger Gatte neuerdings gegen den Fischer und gegen die Pauline Münchmeyer unternähme. Eine Schande. Von Dankbarkeit keine Spur – denn was wäre er, der große Schriftsteller, schließlich ohne die Münchmeyers? Wenn der alte Gotthold ihren Gatten damals nicht aufgenommen, sprach Lebius und umschlich die zusammengesunken Dasitzende wie ein Kater die Maus, ihn wie ein Vater an seinem Herd gefüttert, ihn wie einen nassen Hund aus dem Wasser gezogen hätte und ihm, ohne auf seine Ehre zu achten, Auftrag um Auftrag gegeben hätte, wenn er all dies nicht getan hätte, nachdem, nachdem – Lebius unterbrach seine Rede, lauerte, schlich, wartete, fuhr schleppend fort, ja, wenn der gute Alte nach den Irrungen ihres Gatten nicht so tolerant wie ein wahrer Christ gewesen wäre, was dann …?
    Ganz recht, ganz recht, schluchzte Emma. Oh, wie recht Sie haben.
    Seine Geschäfte, die seinen und die von Herrn Fischer, fuhr Lebius fort, gingen Hand in Hand. Sie hätten viele Geschäfte geplant, nicht nur halbpolitische … sondern auch solche, die ins Fach des Enthüllungsjournalismus fielen. Lebius neigte sich zu Emma herab, zeigte ihr Artikel der konservativen Presse, in denen die Polizei und der Staat, die Justiz heftig angeklagt

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