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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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vor, wie sie jetzt vor diesem Fremden stand, und sie nahm sich vor, gar nicht dumm, sondern pfiffig, klug und auch nicht schwatzhaft zu sein …
    Wollen Sie sich nicht zu mir setzen, mir ein wenig Gesellschaft leisten, sagte der Mann Lebius, das Wetter ist schön, wir können noch draußen sitzen. Ich bitte Sie …
    Emma zögerte, dann setzte sie sich zu ihm.
    Es ergab sich, dass Rudolf Lebius, als künftiger Herausgeber seiner Zeitung „Sachsenstimme“, viel herumreisen musste, häufig auch in Weimar gewesen war und die Stadt gut kannte. Einmal war er Fremdenführer gewesen in der Klassikerstadt. Die Thüringer Mundart habe er sich beinahe schon angewöhnt. Und er sprach ein paar Brocken dieser singenden, verwaschenen Sprache. Lachte herausfordernd. Ob er sie nicht einmal führen solle? Emma lachte, dachte, das ist ein sonderbarer Kerl! schaute auf seine engen Hosen; sie wohne hier seit einem Jahr, sie brauche keinen Führer. Trotzdem, er könne ihr Verschiedenes zeigen, was sie bestimmt noch nicht gesehen habe. Er blinzelte sie an, sah verkommen aus. Es sei übrigens eine Ewigkeit her, dass er Fremdenführer war, lachte er, in seiner Sturm- und Drangzeit, jetzt habe er andere Geschäfte, ziemlich komplizierte; er bereite eine eigene Zeitung vor, die „Sachsenstimme“, und da müsse er zugkräftige Artikel schreiben, vor allem aber recherchieren, die Wahrheit herausfinden, denn nur die Wahrheit wollten die Leute wissen, wollten wissen, was in ihrer Stadt, in der Nachbarschaft, bei Berühmtheiten, bei den engsten Freunden passiere – ein aufwendiges Geschäft. Aber Spaß mache es, ungeheuren Spaß!
    Sein Gesicht sah bei aller Lasterhaftigkeit und Verschlagenheit auf einmal jungenhaft aus. Er lud sie dringend ein, ihn zu besuchen. Er habe, weil er hier einige Zeit verbringen werde, eine kleine Wohnung draußen in der Nähe vom Ilm-Park, auf der Bodelschwinghstraße, gemietet. Auch einen Wagen habe er zur Verfügung …
    Was? Ein Automobil? Emma klatschte in die Hände.
    Ja, entgegnete Lebius, ein Automobil, wenn auch nur ein kleines. Und es sei gemietet für seine Zeit hier in Weimar. Ein offener Zweisitzer. Jetzt im Herbst zu Vorzugspreisen. Aber, wenn man sich warm anziehe, wäre es auszuhalten. Es sei wirklich nett bei ihm …
    Emma kam. Rudolf Lebius’ winzige Zimmerchen am Ilm-Park, freundlich, zwischen Linden, schattig, waren nicht luxeriös, ein wenig unordentlich, aber bequem. An den Wänden verschiedene Bilder. Alles Reproduktionen. Darunter auch zwei Kartons von Sascha Schneider, einen Max Klinger, zwei Fotoreproduktionen von Slevogt, eine große Reproduktion, mindestens einen Meter mal einsfünfzig, von van Gogh, Getreidefeld mit Mohnblumen. Zwischen den Fenstern verschiedene Zeichnungen, Rötel und Bleistift, gerahmt, eindeutig pornografischen Inhalts. Emma, die davor stehen geblieben war, errötete, sagte indes nichts, ging weiter, beschaute die anderen Bilder, setzte sich schließlich auf den Rand einer niedrigen Ottomane, die Hände zwischen den Knien. Lebius ging herum, locker, ein wenig nachlässig, mit seinem schiefen Lächeln, einen leisen Geruch nach Schweiß und herbem Herrenparfüm verbreitend. Emma tat ihm den Gefallen, nach den Bildern zu fragen, auch, und auf einmal ohne alle Scham, nach den pornografischen Zeichnungen. Er erzählte verwinkelte Geschichten, wie er die Bilder beschafft und warum er sie hier aufgehängt hatte, ein paar hätte er auch übernommen, vom Vermieter, der ihm auch die Möbel überlassen hätte. Schließlich halb so schlimm, er winkte ab, wären es doch alles nur billige Kopien und die Möbel … na ja. Darum sei ja auch die Miete niedrig. Ein Schnäppchen, das Ganze. Für die kurze Zeit, die er hier verweilen wolle, gerade richtig. Nun die Zeichnungen da, er zeigte zwischen die Fenster und meinte die Pornografien, auch die habe er hängen lassen. Sie gehörten dem Vermieter, einem verkrachten Bildhauer und Grafiker, womöglich stammten sie von seiner Hand, er wisse das nicht genau. Wenn sie sich aber gestört fühle, könne er sie natürlich abnehmen. Kein Problem. Emma verneinte, sie fühle sich nicht gestört, nein, aber solche Zeichnungen seien doch ungewöhnlich, zumindest gewöhnungsbedürftig, man finde sie nicht überall, und sie sei bürgerlich und religiös erzogen. Aber er solle sie nur hängen lassen, immerhin seien sie ja, wenn man das Grafische betrachte, sogar eine Art von Kunstwerken.
    Lebius feixte, ließ seinen Blick ein paar Mal ungeniert

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