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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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das Ideal der Schönheit, verbreitet. Nicht mehr wiederzuerkennen wäre er, nichts Altes hafte ihm an, nichts Verderbliches, nichts Unchristliches fände man noch bei ihm und doch, oh welcher Zauber, sei er der Alte geblieben … – und genau das werde er ihm plausibel machen, seinem lieben und treuen Friedrich Ernst Fehsenfeld, diesem Pedehr, dem Scheik der Dschamikun. Dieses Wunder der Verwandlung werde er ihm unter die Nase reiben. In schönen Worten, bildhaft, poetisch, ganz so, wie der wahre Dichter schreibt …

7
    Am Anfang des März liegt sonst noch der Schnee. Doch der Schwarzwald um Ehrenstetten ist für die weißen Kristalle kein sicherer Ort. Und in diesem Jahr schon gar nicht. Es ist viel zu warm für die Jahreszeit.
    Von der Schächerkapelle kommend bewegt sich an diesem Morgen ein Jäger, zunächst am Ortsrand entlang gen Südosten, er läuft durch die kahlen Obstplantagen, an trockenen, holzigen Rebstöcken vorbei und über vom Reif beatmete Wiesen. Der Weg erhebt sich leicht, sodass man erahnen kann, es werde einen bald ein wunderschöner Ausblick belohnen. Doch der einsame Jäger, den Drilling nach Försterart geschultert, die rehbraune Bracke mit dem dunklen Aalstrich läuft, die Nase am Boden, ein paar Meter hinter ihm, dieser Mann achtet nicht auf die weite, sanfte Landschaft oder den herrlichen Ausblick.
    Er geht stetig und in Gedanken seinen Weg.
    Jeder andere, der hier vorbeikommt, jeder Wanderer muss stehen bleiben an dieser Stelle und zurückblicken, denn wie ein Gemälde aus der Werkstatt Caspar David Friedrichs oder Anton Kochs liegt das Panorama der Anhöhen nördlich von Ehrenkirchen ausgebreitet, mit den zierlichen Türmen der Kirchhofener Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt, der Ehrenstettener Kirche St. Georg und der Ölbergkapelle, diesem markanten, von jeder Postkarte bekannten Wahrzeichen Ehrenkirchens.
Manchmal sieht man sogar bis zur Biengener Kirche
, weiß der Wanderführer und zeigt mit dem Knotenstock nach links – und siehe da: Noch ein kleines Stück des Weges, und dieser Blickfang taucht tatsächlich in der Ferne auf.
Sind wir denn jetzt schon im Ambringer Grund?
, wollen neugierige Wanderer wissen, offenbar solche, die zuvor die Karten ein wenig studiert haben.
Noch nicht ganz,
antwortet der Führer dann,
denn der Ambringer beginnt erst dort drüben am Waldrand, dort, wo wir den Norsinger und den Ehrenstetter Grund finden.
    Auch der Jäger, ein großer, hagerer Mann, um die fünfzig, mit rötlichem Haar und ebensolchem Bart, die Bartenden nach der Mode hochgezwirbelt, strebt diesem Waldgrund zu.
    Sein Gesicht ist offen, mit hellen, forschenden Augen und einem Zug Güte darin, Güte, die jungenhaft und arglos wirkt, die sich begeistern und entzünden kann wie bei einem Knaben, der beschenkt wird. Dieser Mann, es ist der Freiburger Buchverleger Friedrich Ernst Fehsenfeld, hat seit fast zehn Jahren am Ambringer Grund seine Jagdpacht.
    Er macht große Schritte, die Jagdtasche schlägt ihm an den Oberschenkel, über der Brust die Patronengurte mit dem Schrot trägt er an den Waden grüne Gamaschen und an den Füßen derbe Tiroler Bergschuhe. Komm, Sirta, komm! ruft er ungeduldig dem Hunde zu, der stehen geblieben ist und eine Fährte gefunden hat, der winselt und zurückblickt, als interessiere, wenn schon nicht seinen Herrn, so doch wenigstens ihn die Landschaft und der Ausblick. Der Jäger wendet den Kopf nach der Bracke, ruft das Tier noch einmal, so komm doch! Sirta, komm! Er verlangsamt den Schritt. Eine Dreiviertelstunde ist er schon unterwegs vom Lehenhof, der drüben am anderen Ende liegt, dieser alte Bauernhof, der ihm seit fünf Jahren als Zuflucht und Jagdhütte dient … hierher in sein Jagdgebiet zu seiner windschiefen Holzhütte, wo jede Jagd beginnt und wo sie auch immer endet.
    Die halbe Woche ist er nun schon hier. Ja, er braucht die Jagd, den Nervenkitzel, braucht den Atem der Natur. Hätte er sie nicht, könnte er kaum durchhalten. Das Verlagsgeschäft laugt ihn aus, ermattet ihn, trotz aller Erfolge. Für die Abende, wenn er früh von der Jagd kommt, hat er sich Arbeit mitgebracht, Briefe und Manuskripte, Textskizzen und Kontoauszüge. Doch meist ist er zu müde, schläft, kaum ausgezogen, manchmal noch im Sitzen ein …
    Vorvorgestern Nacht war es kalt und klar; jeder Stern war an seinem Platz, und das Gras, die kleinen Büsche, das Kraut starrte von Reif. Er ist von Mitternacht bis zum Morgen umhergestreift. Dann, es dämmerte schon, ging alles ganz

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