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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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urplötzlich, so wie der Teufel aus der Flasche fährt, macht Vorschläge, die unmöglich zu realisieren sind und die einen Haufen Geld kosten, oder er spielt den Privatdetektiv, wenn er glaube einer Schweinerei auf der Spur zu sein – wie zum Beispiel in der Sache mit den angeblich geheimen Auflagen.
    Fehsenfeld erinnert sich, wie er eines Tages, es ist 98 gewesen, jedenfalls noch vor Mays großer Orientreise, erinnert sich, wie er von einem bekannten Buchhändler aus Gundelfingen, Rathausplatz 3, angerufen worden ist.
    Ganz aufgeregt ist der alte Mann gewesen, in seinen Grundfesten erschüttert. Dabei gehört er, der liebe, alte Herr Jeremias Pforzheim mit seiner Buchhandlung Pforzheim, Nachf. & Söhne, zu denen, die kein Aufsehen lieben und die in aller Ruhe und Gediegenheit ihre Arbeit machen wollen. Ein Kontrolleur aus Leipzig sei dagewesen, jammerte der Alte, ein Herr Geheimer Rat Momsheimer, Adolf Momsheimer vom Börsenverein aus Leipzig, er habe ihm ein Legitimationsschreiben vorgelegt, gestempelt und gesiegelt, und er habe von ihm, dem alten ehrenwerten Buchhändler Pforzheim, wissen wollen, wie das wäre mit den Lieferungen vom Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld & Co. und von der Druckerei Felix Krais, ob es Lieferverträge gäbe oder ob vielleicht auch sogenannte Freie Sortimente geliefert würden, die dann sozusagen ohne Rechnung anfielen. Noch nie, klagte der Alte, sei ihm Derartiges untergekommen, noch nie im Leben habe er einen Kontrolleur im Hause gehabt, nur sein Oheim Nathaniel Pforzheim habe einmal in den Sechzigerjahren mit einem Revisor zu tun gehabt und er habe ihm, als er ein Knabe war, davon erzählt, es wäre ein höchst verdrießliches Erlebnis gewesen … und der Buchhändler wollte die Geschichte von seinem Oheim erzählen. Doch Fehsenfeld unterbrach ihn. Er solle ihm mehr von diesem geheimnisvollen Besucher berichten. Ja, bitte sehr, wie Sie wünschen, antwortete der Buchhändler, der Herr Geheime Rat sei in Begleitung einer Dame gewesen, elegant angezogen mit einem großen Federhut und einem weißen Halbschleier vor dem Gesicht. Der Kontrolleur habe die Bücher zu sehen verlangt, und die letzten Verlagsrechnungen, er sei ins Lager gegangen, die Bestände zu visitieren, zu überprüfen und aufzunehmen. Der arme Buchhändler war dem Weinen nahe: Was er nun tun solle, bitte sehr? Denn dieser Momsheimer wolle morgen gegen zehn Uhr noch einmal erscheinen. Eher aus Routine und noch ohne Arg hatte er, Fehsenfeld, den alten Pforzheim gefragt, wie denn dieser Herr Geheime Rat aus Leipzig ausgesehen habe.
    Ja also, es wär ein feiner Herr um die Sechzig gewesen, antwortete der Buchhändler eifrig, beste Manieren, mit einem grauen Schnurrbart und einem Kinnbärtchen, tiefblauen Augen und einem freundlichen Lächeln, nicht groß, eher klein, etwas krummbeinig, aber ein wirklich feiner Herr, fesch angezogen, mit einem Stöckchen, auch die Dame, sehr distinguiert, indes mit unverkennbar sächsischem Dialekt, was sie etwas gewöhnlich habe erscheinen lassen. So, so, habe er, Fehsenfeld, gebrummt und plötzlich sei ihm, erinnerte sich der Verleger jetzt, ein unbestimmter, im Nachdenken jedoch mehr und mehr wachsender Verdacht gekommen und er habe zu dem guten, alten Pforzheim gesagt: Nur ruhig Blut, lieber Herr Pforzheim, alles werde gut. Er selber, der Verleger Fehsenfeld, werde mit seinem Drucker Krais hinüber nach Gundelfingen kommen und diesen Herrn Geheimen Rat aus Leipzig in Augenschein nehmen, er solle sich beruhigen. Er und sein Haus, die Buchhandlung Pforzheim Nachf. & Söhne, hätten nichts zu befürchten.
    Um zehn Uhr, sagten Sie? In der Tat gegen zehn Uhr, bitte sehr. Am Rathausplatz? Gleich neben der Alten Bundesstraße? Jawohl, mein Herr, genau dort.
    Und dann ist er am nächsten Morgen mit Felix hinüber nach Gundelfingen gefahren. Mit der Droschke, denn ein eigenes Automobil besaß er damals noch nicht, das kaufte er erst ein paar Monate später …
    Böse kichert der Verleger Fehsenfeld in sich hinein, wie er an dieses Abenteuer denkt, und bevor er aufsteht, ruft er die Hündin: Komm, Sirta! Komm! Ein Leckerli! lockt er leise das dösende Tier, ich geb dir noch ein Stückl von dem Hirsch. Komm hierher! Die Hündin ist sofort hellwach, wie sie das Wort vom Hirsch hört.
    Die Hündin, wohlig knurrend, kaut und schlingt, und Fehsenfeld erinnert sich:
    Sie sind nach Gundelfingen gefahren, Felix und er, und mit jedem Kilometer, den sie der Stadt näher kamen, ist seine Erregung gestiegen.

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