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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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ist nichts, weiter gar nichts erforderlich, als dass wir sie an unserer Metamorphose theilnehmen lassen. Diese Bücher werden genau das sein und bleiben, was sie gewesen sind, und doch den Anschein haben, als ob sie sich innerlich gewandelt hätten. Der sie geschrieben hat, war ja ein Anderer, als man dachte, und nun man wohl kennen lernen wird, will er endlich auch zeigen, was sie sind, und wünscht für sie ein anderes Gewand, welches unser würdiger ist als das bisherige…Man wird erkennen, dass der Geist dieser Werke zwar kindlich, deutlich und leicht verständlich zu sprechen vermag, aber keineswegs die Absicht hat, unerwachsenen Jungen als Unterhaltungskarnickel zu dienen. Für jeden, der das erkennt, wirkt das Jugendschriftenhabit gradezu abstoßend. Es zieht Leihbibliotheksleser heran, nicht aber die besser Situierten, welche kaufen. Für die erste Zeit mochte das einen geschäftlichen Zweck haben, doch wohl jetzt nicht mehr. Heute gilt es, das Äußere mit dem Innern in Einklang zu bringen … –
Fehsenfeld senkt wieder das Blatt, er schlürft den Kaffeerest aus der Tasse, sucht sein Zigarrenetui, findet es hinter sich auf der Kommode, zündet sich eine Zigarre an, wirft sich wieder in den breiten Lehnstuhl. Ihm ist nicht wohl. Er spürt, wie er zu schwitzen beginnt. Wie ihn eine nervöse Reizbarkeit zu ergreifen beginnt. Nein, es ist nicht der viel zu starke Kaffee gewesen oder etwa das Nikotin aus seiner Virginia, die er geraucht hat – es ist dieser kleine verquere Mensch, sein Autor May aus Radebeul, der ihn aufregt. Abgesehen davon, dass dessen Briefe voller innerer Widersprüche sind, denkt Fehsenfeld, denn auf der einen Seite sagt er, die Bücher wären haargenau die gleichen, auf der anderen Seite aber orakelt er, sie würden durch ein neues Erscheinungsbild, durch neue Deckelbilder, den Anschein erwecken, als wären sie andere, neue, nämlich keine Jugendschriften mehr, sondern solche, die esotherischen Ansprüchen und irgendeiner höheren Bildung genügten. Den Anschein! Den Anschein, ha! So ein Unfug! Fehsenfeld schnauft ärgerlich, rauft sich den roten Bart. Er blickt sich im Zimmer um, ratlos, hektisch und wütend, sucht mit den Augen, was er ergreifen und zerschmettern könne. Jetzt gleich auf der Stelle muss irgendein Gegenstand dran glauben. Zum Beispiel die Vase dort! Oder das Bild an der Wand! Irgendetwas! Irgendetwas muss er jetzt zertrümmern, sonst platzt ihm der Schädel. Verdammt. Ach, verdammt.
    Allein durch veränderte Einbände will der Radebeuler der Welt vorgaukeln, man wäre ein anderer geworden, und, genau genommen, sei man ja schon immer ein anderer gewesen! Nur die Welt hätte es nicht erkannt, wäre zu blöde gewesen. Pah! Wer wird diesen hanebüchenen Unsinn glauben? Er jedenfalls, sein Verleger, wird es nicht tun. Niemals! Nein! Und nochmals nein! Und Fehsenfeld sieht es vor sich – das Gespenst des Ruins. Wie am Anfang werden sie dastehen, Paula und er, in einem kleinen Buchladen sieht er sich, irgendwo in der Provinz, am Rhein, arm, abgerissen. Er wird kein Automobil mehr haben, wahrscheinlich nicht einmal mehr ein Fahrrad und keine Jagdflinte und die Töchter wird er vom Gymnasium nehmen müssen. Zur Miete werden sie wohnen, bei irgendeiner Professorenwitwe – das alles sieht Fehsenfeld vor sich, dieses ganze Schreckensszenario, wie es Balzac im „Cesar Birotteau“ geschildert hat. Ertränken werde man sich. Was bliebe einem noch?
    Jawohl, einen Einbruch im Absatz werde es geben, wie ein Erdrutsch, damit werde es anfangen, den Berg werde es mit seinem Verlag hinabgehen in sausender Fahrt, denn er kenne den Geschmack und die Kaufgewohnheiten der Leser wie keiner sonst. Er weiß von den Bestellwünschen seiner Buchhändler beinahe aus ganz Deutschland, was gefragt ist und wie das Gefragte aussehen soll, damit es ins Auge sticht und mit dem Geist des Buches in Übereinstimmung steht. Sogar die Lieblingsfarben seiner Buchkunden kennt er, es sind nun einmal seine grünen Bändchen mit dem goldenen Rückenschildchen. Ein ehernes Marktgesetz besagt: Mute deinen Kunden nur wenig Neues zu! Verwöhne sie mit Bekanntem, denn alle wollen immer nur das, was sie schon kennen. Eine uralte menschliche Schwäche. Was Erfolg hat, soll man nicht verändern – auch für den Buchhandel und das Verlagsgeschäft gilt das. Doch das weiß der kleine krummbeinige Westernreiter natürlich nicht.
    Jawohl. Die Stärken der May’schen Bücher haben bisher im Absatz für die Jugend gelegen,

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