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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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wenn nämlich ein Vater oder ein Großvater, der Onkel oder ein Freund der Familie für die heranwachsenden Buben etwas Abenteuerliches und zugleich Bildendes brauchte, dann ist es meistens ein May gewesen, der schließlich auf dem Gabentisch landete. Immer wieder ein May. May, May und nochmals May! Ist das nicht schön.
Hammse nich nen May?
wird immer wieder gefragt, wenn einer ein Jugendbuch will und in einer Buchhandlung herumstöbert.
    Er, Fehsenfeld, denkt daran, wie seine anderen alternativen Reihen, die er sich ausgedacht hatte, „Abenteuer und Fahrten“, mit Werken von Kippling u.a. auch seine „Radlers Wanderlieder“ oder die „Wanderungen durch den Schwarzwald“, wie die alle eine Zeitlang ganz gut gingen, und dann neben dem May verebbt sind. Und er bedauert sogar ein bisschen, dass er seinen guten alten Abel nicht mehr verlegt, mit dem alles seinerzeit begonnen hatte.
    Genau genommen, überlegt Fehsenfeld in seinem Arbeitssessel, und er wirft einen Blick auf seine unter dem Tisch schlafende Hündin Sirta, genau genommen ist das Ganze wieder so eine von den kleinen Tricksereien und Betrügereien seines listigen Sachsen, eine seiner kleinen Hochstapeleien, nämlich plötzlich den Eindruck von etwas erwecken zu wollen, das man ursprünglich gar nicht beabsichtigt hat, sondern das sich erst als verbogene und krumme Gedankentour im Kopf ergeben hat. Eine typische Aktion Karl Mays. Glasklar und genau auch aus diesem Brief ablesbar, den er jetzt auf den Knien hält. Aber es sei eben, wie alles bei seinem lieben May, kurzatmig und nicht richtig durchdacht, ein Schnellschuss aus seinem Henrystutzen; kaum im Kopf als Gedankenblitz entstanden, müsse es gleich realisiert werden, koste es, was es wolle. Und der May spreche sich ja auch in solchen Fällen mit niemandem ab, mit keinem, der ihm ausgewogen raten könne, höchstens mit seinen Damen, doch die eine, die Emma habe ein schwaches, beeinflussbares Köpfchen, und die andere hielte sich für eine pfiffige Geschäftsfrau und sei ihm, Fehsenfeld, nicht wohlgesonnen, im Gegenteil, andauernd denke sie, er, der Fehsenfeld, wolle ihren ehrenwerten Karl übers Ohr hauen und sei nur auf seinen verlegerischen Vorteil aus. Oh ja, an mancherlei Bemerkungen habe er das schon herausgefunden, auch wenn die liebe Klara das honigsüßeste Gesicht mache.
    Und gerade vor diesem honigsüßen Gesicht solle man sich vorsehen. So wie er sich bei der anderen, dem Klatschmaul, vorzusehen habe.
    Er glaube, sagt sich der Verleger in Gedanken, während er nach der Kaffeekanne langt, den Deckel lüftet und staunt – aber die ist ja leer? Hat er denn in der kurzen Zeit tatsächlich sechs Tassen getrunken? Denn genau so viel passen in die Kanne. Schade, murmelt er, nichts zu machen, nun muss er neuen aufbrühen. Ja, er glaube, setzt der Verleger fort, dies alles entspringe der überbordenden, wuchernden Fantasie dieses kleinen Menschen. Ach, überhaupt die Kleinen! Alle kleinen Menschen hätten ja unter solchen Anfällen von Größenwahn gelitten – Napoleon – Nietzsche – Wagner – Voltaire – nun auch May. So einer denke sich etwas aus und glaube sogleich, schon werde es und ohne ganz jede Schwierigkeit Realität. Sei es ein System aus Worten ebenso wie eine ausgedachte Landkarte. Sei es Reichtum und Luxus oder die herrliche Macht, die man über die Menschen gewinnen könne. Und die Geister, die er gesehen, die ihm erschienen und die zum großen Teil die eigenen und ersonnenen seien, die trieben ihn an, peitschten ihn vorwärts …
    Der kleine May soll ja abends, wie seine Geschiedene, die Emma, es ihm ein paar Mal erzählt hat, auch wohl Klara, die Jetzige, sprach davon, abends im Bett soll er mit seinen Gestalten sprechen, sie befragen zum Fortgang seiner Geschichten, aber auch zur Welt und zu anderem noch – man stelle sich vor, er spricht mit Winnetou oder irgendeinem Trapper, dem Geierschnabel zum Beispiel, mit dem Hadschi Halef, mit dem Großherrn oder auch mit seinen Pferden Hatatitla und Rih. Oh, es treibt den Kleinen um wie einen Kreisel, und das ist nicht immer amüsant und liebenswert oder ein Spaß, denn er mischt sich in alles ein und fährt dazwischen, bringt alles durcheinander, stiftet Unruhe und glaubt dabei noch allen Ernstes, er rette die Welt, er habe entdeckt, was keinem zuvor aufgefallen sei, es sei alles nur zum Besten, besonders zum Besten des Verlages und zum Besten seines Verlegers, er wirft mit Zahlen um sich wie ein Prokurist, er erscheint

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