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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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sie streiten, anpreisen, sich aufspielen, einfach göttlich, wie in einer antiken Komödie, kaum losreißen kann ich mich von solchem Schauspiel. Fehsenfeld hat den Kellner entlohnt, ist ein paar Schritte auf den Ausgang zugegangen.
    So komm doch! zischt er dem Cousin zu, winkt mit dem Arm.
    Auf einmal stockt er, kneift die Augen zusammen, starrt, hastet zu seinem Cousin zurück, zeigt aufgeregt nach draußen auf den überfüllten Platz.
    Da ist er ja! Sieh, Felix, dort kommt unser May.
    Und tatsächlich, aus einer der Seitengassen nähert sich Karl May nebst Gattin dem Marktgewühl. Offenbar will er, um zu dem Pforzheim’schen Buchladen zu gelangen, den Platz überqueren, sich mitten durch das Marktgetümmel drängen. In einem feinen hellgrauen Anzug mit Hut und Stöckchen, weißen Gamaschen über den schwarzen Schuhen sieht es aus, als käme der Landrat höchstpersönlich zu einer Visite auf den Gundelfinger Markt. Dazu der goldene Kneifer, den er abnimmt, wenn er irgendeinem Unbekannten zunickt, von dem er glaubt, er habe ihn erkannt. Die Eitelkeit ist in diesem Augenblick so groß, dass er für Sekunden seine geheime Mission vergisst. Hinter ihm, mit zwei Schritten Abstand, die Künstlergattin in einem weißen, langen Kleid, mehreren Silberkettchen vor der Brust, und einem Hut, so groß wie ein Wagenrad. Aufmerksam hält sie nach den Marktwaren Ausschau, bleibt stehen, zeigt mit der Spitze ihres nicht entfalteten Sonnenschirms auf dies und das, erfragt den Preis. May, ungeduldig, wendet sich um, zieht die Frau am Arm vorwärts. Nimm dich zusammen, Emma, flüstert er, wir haben jetzt keine Zeit dafür. Auf einmal wendet er sich nach links, ihm scheint aufgefallen, dass es schwierig ist, sich durch das Gewühl zu arbeiten. Da geht man lieber außen herum.
    Achtung! zischt Felix Krais seinem Cousin ins Ohr, er kommt direkt auf das Café zu. Er darf uns hier nicht sehen. Lass uns dort hinter der Säule in Deckung gehen. Der Kellner, der gesehen, wie seine beiden Gäste aufspringen und in den hinteren Teil des Cafés hasten, schüttelt den Kopf. Seltsame Leute! mag er sich denken. Oder ob sie auf der Flucht vor der Polizei sind? Denn, welch Zufall, soeben erscheint am Rande des Platzes ein Schutzmann. Ernst, mit Amtsmiene, schreitet er vorwärts, den Säbel umgeschnallt, den Tschako auf dem Kopfe, in seiner dunkelblauen Uniform, die Messingknöpfe blitzen auf seiner Brust. Doch sein Interesse gilt nur dem Markttreiben und ob er nicht einen Taschendieb in flagranti ertappen könne. Brummig läuft er mitten ins Gewühl, prüft im Vorwärtsgehen die Festigkeit seines Kinnriemens. Die Mays sind weitergegangen und schon aus dem Blickfeld des Cafés. Die beiden Privataufklärer, Fehsenfeld und Krais, kommen aus ihrer Deckung, nicken dem Kellner zu, Verständnis heischend, und verlassen das Lokal. Der Kellner indes, neugierig geworden, tritt ebenfalls vor die Tür, blickt ihnen nach. Er sieht, wie sie am Rande des Platzes nach links gehen und offenbar einem älteren Ehepaar, vornehmen Herrschaften, bestens angezogen, die vielleicht dreißig Meter vor ihnen wandeln, zu folgen versuchen. Wieder schüttelt der Kellner den Kopf. Seltsam, seltsam. Nachdenklich schlägt er sich die Serviette, die er über den Arm getragen hat, auf das Hosenbein und geht durch die Drehtür ins Lokal zurück.
    Fehsenfeld und Krais indessen schleichen den Mays nach. Die haben es nicht eilig. Ja, man bummelt geradezu. Es liegt vor allem daran, dass Emma andauern stehen bleibt, sich dem Marktgeschehen zuwendet, an dessen Peripherie das Ehepaar vorbeikommt. Sie hat zu schauen, sowohl, was die Waren, aber auch, was das Markttreiben selber, die Verhaltensweisen der Händler angeht. Dazu gibt sie Kommentare ab, laut und wie selbstverständlich in ihrem singenden, Silben verschluckenden und vokalreichen Erzgebirgisch. May ist das offenbar peinlich, denn er schiebt seine Frau sachte vorwärts, spricht auf sie ein, leise und eindringlich, schaut nach links und rechts, vereinzelt auch um Verständnis bittend, zieht die Taschenuhr. Und jedes Mal, wenn die Mays auf diese Weise nicht oder nur langsam weiterkommen, verharren auch Fehsenfeld und sein Cousin Krais in gehörigem Abstand, suchen, so gut es geht, Deckung.
    Die Buchhandlung kommt in Sicht.
    Wir lassen ihnen ein paar Minuten Zeit, sagt Fehsenfeld, und dann … er macht mit der linken Hand (der Verleger ist Linkshänder) eine charakteristische Bewegung, so wie man einen Handkantenschlag andeutet. Krais

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