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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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helfen, er saß nach dem Zähneputzen schon auf dem Bettrand und las noch in einem seiner mitgebrachten Manuskripte. Also schlang sie sich ein Tuch um den Kopf, legte ein paar zusätzliche Kissen unter das Kopfende, so wollte sie, halb aufgerichtet, schlafen, die Lockenpracht über Nacht aufgetürmt lassen, es würde schon trocknen. Als Emma eine Viertelstunde im Bett gelegen hatte, Karl aber das Licht noch nicht löschen wollte, fragte sie:
    Wie lange willst du noch so sitzen und arbeiten? Ich bin müde.
    Warte noch ein paar Minuten, Mausel, ich muss noch ein Kapitel durchnehmen.
    Sie seufzte und schwieg, prüfte mit einer Hand den Sitz der Lockenwickler unter dem Tuch. Es vergingen ein paar Minuten und sie seufzte aufs Neue.
    Karl, sein Lesen unterbrechend, fragte: Was miaust du wie eine Katze? Du weißt, mich stört das. Ich bin gleich fertig. Sei doch bitte still, ich muss mich konzentrieren. Er hatte sich nicht umgedreht, saß in seinem weißen Nachthemd mit dem blauen Kragen, ihr den Rücken zuwendend. Er brummte noch irgendetwas Unverständliches und wollte weiterlesen. Emma, wieder mit einer Hand an den Lockenwicklern, sagte: Eigentlich muss ich dir böse sein, Karl, so wie du mich heute zum Mittagessen abgefertigt hast … aber das bin ich ja von dir gewohnt – immer in der Öffentlichkeit versuchst du den „großen Herrn“ herauszukehren …
    Karl antwortete nicht, er las weiter, nur sein Rücken unter dem weißen Nachthemd schien sich wie unter einem Krampf anzuspannen.
    Emma, mit spitzer Stimme: Da schweigt der Herr, da weiß er nichts zu sagen, aber ich kenne das. Wenn der große Schriftsteller seine Frau erniedrigen kann, da fehlen ihm die Worte nicht …
    Karl, ohne sich umzudrehen: Sei froh, dass ich dir das Wort abgeschnitten habe, Mausel, du warst drauf und dran, dich wieder einmal vollständig zu blamieren. Und nicht nur dich, mich gleich mit, denn schließlich bin ich dein Ehemann, und die meisten Leute nehmen mich für deinen Unsinn in Haftung und denken …
wie der Herre, so’s Gescherre –
der arme Mann, was hat der nur für ein zänkisches und einfältiges Eheweib!
    Diese Worte wie der gesamte Dialog waren noch nicht laut, sondern im gewöhnlichen Tonfall gesprochen. Die Fehsenfelds konnten also an dieser Stelle von dem beginnenden Streit nichts gehört haben. Und sie vernahmen auch tatsächlich nichts dergleichen. Sie waren mit anderem beschäftigt. Paula hatte die Gläser und die letzten Reste der Abendmahlzeit weggeräumt, dann das Schlafengehen der Töchter beaufsichtigt, während der Verleger Fehsenfeld am kleinen Sekretär im Schlafzimmer ein paar Briefe und Rechnungen durchging.
    Im Gästezimmer folgte eine Pause, in der Karl weiterzulesen versuchte, obwohl man sehen konnte, wie das Manuskript in seinen Händen zitterte. Emma hatte nur den Mund geöffnet wie ein großer Fisch, der nach Luft schnappt. Kein Laut war ihr entwichen. Ihr war die Luft weggeblieben, aber dieses Luftschnappen bedeutete bei ihr nichts Gutes. Karl, immer noch abgewandt sitzend, wusste, was jetzt folgte. Gleich würde seine Emma in hohem Diskant loskreischen …
    Doch er hatte sich getäuscht, es gab eine Verzögerung, oder besser: es gab einen vorgeschalteten Weinkrampf. Auch der war am Anfang nicht sehr laut, Emma schluchzte in ihr Taschentuch, jammerte erstickend unverständliche Worte in den geknüllten Stoff.
    Karl, genervt, aber kalt sagte: Ach, mein Herrgott, jetzt geht dieses Theater los! Die Taschentuchszene! Gnädigste belieben hysterisch zu werden … Ärgerlich warf er das Manuskript auf das Bett neben sich, wandte sich um.
    Und dieses Umwenden war es, dass Emma jetzt in das Gesicht ihres Mannes blicken musste und zu allem Unglück in diesem Gesicht ein gemeines, ironisches Lächeln zu entdecken glaubte – dies raubte ihr mit einem Mal die letzte Beherrschung.
    Doch bevor sie alles aus sich hervorbrechen ließ, hörte man Karls ärgerliche Stimme:
    Nun hast du mich endgültig herausgebracht. Bravo! Nie wird dir eingehen, was ein Schriftsteller zu tun hat, du denkst, ach, der liest bloß ein bisschen, während du dir sagst, auf meinen Schultern lastet alles. Du argwöhnst bei jedem Buch, das ich mir kaufe, es diene meinem Luxus, meiner Büchersammelleidenschaft – wie gefehlt, Verehrteste, Bücher sind für mich das, was für den Tischler sein Holz ist. Ohne Holz ist er arbeitslos, ohne Holz kann er nicht bestehen, so wie ich nicht ohne Bücher. Du sagst, du kämest mit dem Staubwischen nicht

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